Stadtraum

Den städtischen Raum historisch im Blick

Soziale Funktionalitäten städtischer Räume im Wandel
Gesamtansicht von Kiel, Kupferstich, koloriert, 47,7 x 32,5 cm, aus: Georg Braun und Franz Hogenberg, Civitates orbis terrarum, Bd. 4, Köln 1588, Taf. 34

Akademieprojekt an der Uni Kiel richtete Auftaktveranstaltung der Internationalen Kommission für Städtegeschichte aus

Was sind die Funktionen städtischer Räume? Und wie haben sie sich von der Vormoderne bis heute gewandelt? Ausgehend von diesen Fragestellungen trafen sich in der vergangenen Woche Historikerinnen und Historiker aus 23 europäischen Ländern an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die Tagung „Soziale Funktionalitäten städtischer Räume im Wandel“, die von der Internationalen Kommission für Städtegeschichte in Zusammenarbeit mit dem Forschungsvorhaben „Residenzstädte im Alten Reich (1300–1800)“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ausgerichtet wurde, bildete den Auftakt einer vier Konferenzen umfassenden Tagungsreihe. Bis 2019 will sich die Kommission in jährlichen Treffen mit sozialen, politischen, ökonomischen sowie kulturellen und religiösen Aspekten städtischer Räume seit dem Mittelalter befassen.

Wie wichtig soziale Strukturen für die Begegnung und den Austausch von Individuen und Gruppen sind, unterstrich der französische Mittelalterhistoriker Pierre Monnet in seinem Eröffnungsvortrag. Über die nicht erst mittelalterliche Erschaffung eines von der Umgebung abgetrennten Raumes aus Kirche, Marktplatz und Stadtmauern bis hin zur vielgestaltigen Stadt der (Vor-)Moderne mit ihren öffentlichen Bibliotheken, Theatern, Cafés und „ausufernden Stadträndern“ resümierte Monnet – unter anderem Leiter des Institut Français d’Histoire en Allemagne an der Goethe-Universität Frankfurt am Main – die urbane Entwicklung Europas der vergangenen Jahrhunderte.

Dabei wurde auch die Frage diskutiert, inwiefern Orte der Begegnung, wie Marktplatz, Schloss oder Kirche für die Gesellschaft heutzutage noch relevant sind und ob die Restaurierung von historischen Altstädten, wie etwa aktuell in Frankfurt, nur noch als touristische Attraktionen dienen, weil sich weite Teile des gesellschaftlichen Lebens mittlerweile ins Internet verlagert haben. Anhand von konkreten historischen Beispielen, wie etwa im Vortrag von Zdzisław Noga aus Krakau über das mittelalterliche Leben von jüdischen Gemeinden in kleinpolnischen Städten, näherte sich die Kommission in insgesamt 13 Vorträgen der sozialen Funktionalität städtischer Räume.

Das Projekt „Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800). Urbanität im integrativen und konkurrierenden Beziehungsgefüge von Herrschaft und Gemeinde“ ist mit seiner Arbeitsstelle seit 2012 an das Historische Seminar der Kieler Universität angebunden. Die wissenschaftliche Leitung des Projektes hat Professor Gerhard Fouquet inne, der als Mitglied der Internationalen Kommission sowie als Inhaber der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der CAU die Tagung nach Kiel holte.

Im Vorfeld der Kommissionstagung veranstaltete das Akademieprojekt ein Nachwuchs-Atelier für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Thema „Konflikt und Ausgleich. Möglichkeiten der Aushandlung in Residenzstädten der Vormoderne“. Hier referierten die Historikerinnen und Historiker über das Verhältnis von höfischen und urbanen Ordnungen, das beispielsweise bei öffentlichen Inszenierungsformen sichtbar wird, wie etwa bei denen der Medici in Florenz. Das Atelier bot damit eine thematische Ergänzung zur Konferenz der Internationalen Kommission.

Akademieprojekt „Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800). Urbanität im integrativen und konkurrierenden Beziehungsgefüge von Herrschaft und Gemeinde“