Mobilität

Acht Minuten Umweg für ein „höheres Ziel“?

Projekt TEAM übt Rücksicht
Ein „höheres Ziel“ und Bonuspunkte machen Verkehrsteilnehmer kooperativer. © pixabay

Beim Projekt „TEAM“ an der TU Berlin wird ein rücksichtsvolleres Miteinander im Straßenverkehr erprobt

Der Mensch – im Grunde seines Wesens ein Egoist? Alles Quatsch, meint Dr. Ilja Radusch, der das Projekt „Tomorrow’s Elastic Adaptive Mobility“ (TEAM) leitet. „Im Straßenverkehr gibt es ständig Situationen, wo nach kurzem Blickkontakt ein Fußgänger über die Straße gelassen oder einem anderen Fahrzeug das Einscheren erlaubt wird“, so Radusch. „Diese kleinen Momente beweisen schon: Wo kommuniziert wird, wird auch kooperiert.“ Qualitative Studien, die zu Beginn des Forschungsprojektes durchgeführt wurden, bestätigen das: 75 Prozent aller befragten Berlinerinnen und Berliner würden eine zehnminütige Verspätung in Kauf nehmen, wenn diese Verzögerung einem wie auch immer gearteten „höheren Ziel“ dient.

Projekt TEAM entwickelt App für Rücksicht im Straßenverkehr

Im Projekt TEAM arbeiten die Wissenschaftler nun an einer App, die eine solche Kommunikation im Straßenverkehr fördern soll. Je nach Anwendung bekommen User bestimmte Angebote gemacht: Acht Minuten Umweg in Kauf nehmen und dafür heute mal nicht an der Grundschule vorbeibrettern? Die Kinder würden sich über das Weniger an Abgasen und Lautstärke sicher freuen. Oder wie wäre es, bei einem Stau nicht den schnellsten Umweg einzuschlagen – da das ja auch alle anderen Fahrer machen, wodurch sich dann bald ein weiterer Stau bildet? „Wir zwingen das Individuum nicht, rücksichtsvoll zu handeln“, sagt Radusch. „Wir kommunizieren alle Vor- und Nachteile transparent.“ Allerdings sammeln besonders umsichtige Verkehrsteilnehmer auf der App Bonuspunkte. Haben sie es mal besonders eilig, können sie diese einlösen, und werden dann für kurze Zeit bevorzugt behandelt.

In der Testphase in den fünf europäischen Städten Athen, Trikala, Göteburg, Tampere, Turin und Berlin, der Euro-EcoChallenge, wollen Radusch und seine Kollegen bis Mai herausfinden, welche Anwendungsmöglichkeiten bei den Nutzern besonders gut ankommen. Die größte Aufgabe bis jetzt war es allerdings, eine offen zugängliche Plattform zu programmieren, die alle erhobenen Verkehrsdaten von Ämtern und Behörden europaweit bündelt. „Bislang kochen alle Städte und Gemeinden ihr eigenes Süppchen. Mit unserer Plattform existiert nun eine Art Verkehrsinformationszentrale, aus der eingespeiste Verkehrsdaten standardisiert und in Echtzeit ausgelesen werden können“, erklärt Radusch. Die zukünftige Plattform hingegen soll alle Informationen zusammenfassen und frei zugänglich sein, sodass auch andere Entwickler darauf zugreifen können. Vielleicht gibt es dann schon bald eine Vielzahl von Apps, die alle auf Kommunikation im Verkehr abzielen – und Europas Straßen ein bisschen kooperativer machen.

Das Projekt TEAM ist am Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS angesiedelt. Das Daimler Center für Automotive Information Technology Innovations (DCAITI), ein An-Institut der TU Berlin, und das TU-Fachgebiet Kombinatorische Optimierung und Graphenalgorithmen kooperieren unter anderen in TEAM.

Weitere Informationen:
www.collaborative-team.eu