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Die neue digitale Arbeitswelt

Die neue digitale Arbeitswelt
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Schlüssel zur Gestaltung der digitalen Transformation ist eine „empowerte“ Arbeitswelt in „agilen Organisationen“

Die digitale Transformation zwingt Unternehmen, sich grundlegend neu aufzustellen. Agilität spielt hierbei eine zentrale Rolle. Die „agile Organisation“ ist mittlerweile in vielen Unternehmen zum Leitbild für eine ganzheitliche Neuorganisation auf allen Ebenen geworden. Der Umbruchprozess lässt derzeit noch Raum für Gestaltung. Klar ist allerdings schon jetzt: Ohne echtes Empowerment im Sinne einer Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf die Beschäftigten kann eine agile Kultur sich nicht entwickeln. Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt von einem neuen Führungskonzept ab.

„Für eine erfolgreiche Bewältigung des digitalen Umbruchs müssen wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen“, erklärte Prof. Dr. Andreas Boes, Vorstandsmitglied des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) e.V. München, zum Auftakt der Konferenz „Digitalisierung auf dem Prüfstand: Empowerment und Beteiligung in der agilen Arbeitswelt“. Damit die Menschen in der digitalen Arbeitswelt überhaupt im Mittelpunkt stehen könnten, müssten sie in die Lage versetzt werden, dass sie ihre Arbeitswelt souverän gestalten könnten. „Deswegen ist unser Konferenzthema von großer Brisanz“, betonte der Leiter des interdisziplinären Forschungsprojekts „Empowerment in der digitalen Arbeitswelt“ (EdA).

Im Rahmen des Projekts haben Expertinnen und Experten des ISF München verschiedene Typen von Empowerment untersucht. Es zeigt sich, dass Agilität in vielen Fällen nur formal umgesetzt wird. Projektteams wenden dann zwar neue agile Arbeitsmethoden wie „Scrum“ an. Sie haben aber keine Befugnisse, um sich wirklich selbst managen und die Umsetzung ihrer Aufgaben eigenverantwortlich steuern zu können. Dies ist der Grund, warum die Einführung agiler Methoden häufig mit zunehmenden Belastungen für die Beschäftigten einhergeht. „Ohne Empowerment droht Arbeit wie am Fließband“, warnte ISF-Wissenschaftler Thomas Lühr bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse. Ob Empowerment gelingt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben einem vertrauensvollen Umgang mit Transparenz innerhalb der Teams, geeigneten organisatorischen Rahmenbedingungen und Qualifizierungsmaßnahmen erweist sich ein neues Führungskonzept als die zentrale Stellschraube. „Lösungen werden nicht mehr länger über einsame Entscheidungen herbeigeführt“, erläuterte der Experte, „sondern sind Ergebnis eines Aushandlungsprozesses im Team und zwischen verschiedenen Rollen, die unterschiedliche Sichtweisen auf das Ganze zusammenführen.“

Der Wandel hin zu einer agilen Unternehmenskultur stellt nicht nur Beschäftigte, Führungskräfte, Management und Interessenvertretung vor neue Herausforderungen, sondern auch die Personalpolitik. Im Rahmen seiner Keynote erläuterte Dr. Wolfgang Fassnacht, Senior Vice President, HR, SAP die Transformationsstrategie seines Unternehmens und skizzierte die Vision eines Führungsleitbildes, das von Vertrauen, Coaching und Wertschätzung geprägt ist. „Die Manager müssen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen, Verantwortung an sie abgeben und sie selbst ihren Weg finden lassen, statt alles von oben vorzugeben“, hob Fassnacht hervor.

Über entscheidende Handlungsfelder zur Gestaltung der digitalen Zukunft diskutierten im Rahmen der Konferenz Marc Stoffel, elected CEO der haufe-umantis AG, und Dr. Andrea Fehrmann von der IG Metall, Bezirksleitung Bayern. Um die Menschen an dieser Gestaltung beteiligen zu können, braucht es aus Sicht der Gewerkschafterin und des Vertreters der New-Work-Bewegung unter anderem Mut zum Experimentieren, Bildung und Qualifikation, eine neue Kultur der Partizipation und Selbstbestimmung sowie neue Führungskonzepte und agile Karrierewege.

Mit den Folgen der Digitalisierung für die Gesellschaft insgesamt setzte sich in einer abschließenden Reflexion Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, auseinander. „Digitalisierung muss keine Bedrohung sein, sondern ist eine Herausforderung, diese weltweite Entwicklung so zu gestalten, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, im Mittelpunkt bleibt oder neu in den Mittelpunkt gerückt wird“, betonte Marx. Entscheidend sei dabei, die Digitalisierung als Instrument zu entwickeln, das Freiheit und Chancen für alle Menschen befördert, und nicht zu Spaltungen führe. Dazu sei auch ein breiter gesellschaftlicher Diskurs notwendig. In diesem Diskurs um die verantwortliche Gestaltung gehörten Arbeit und Bildung zu den wichtigsten Herausforderungen. Kardinal Marx appellierte: Auch im digitalen Zeitalter dürfe Arbeit nicht sinnlos und wertlos sein, weil Arbeit aufs engste verbunden sei mit der Würde des Menschen. Das sogenannte Normalarbeitsverhältnis bilde ein Rückgrat unserer freien Gesellschaft.

Weitere Informationen: www.eda-projekt.de


Zum Projekt

Das Projekt „Empowerment in der digitalen Arbeitswelt“ (EdA) ist ein Verbundprojekt unter der Leitung des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF München und in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel, dem Betriebsrat der AUDI AG Ingolstadt, der IG Metall und der andrena objects ag. Es wird durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Als Valuepartner beteiligen sich: BITKOM, Deutscher Crowdsourcing Verband e.V., Hochschule Kempten, Mylittlejob.de, Streetspotr.com, SAP SE, Siemens AG, T-Systems International GmbH, ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim ISF München.