Mobilität: Projekte

Wie kann verkehrliche Anbindung ländlicher Regionen verbessert werden?

Verkehrliche Anbindung ländlicher Regionen
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Internationale „Sommer-Universität“ diskutiert über Möglichkeiten/Lösungen und Hürden.

Der ländliche Raum mit seinen gegensätzlichen Entwicklungstendenzen – Wachstum im Umfeld von Metropolen, Schrumpfung in vielen anderen Regionen – ist in aller Munde. Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands wird in der politischen Diskussion gerade als Priorität wiederentdeckt. In beiden Fällen ist die Mobilität und die verkehrliche Anbindung der ländlichen Räume ein Schwerpunktthema. Mit Blick auf die unterschiedlichen Problemlagen – Wachstum und Zuzug einerseits, Rückgang und Alterung der Bevölkerung andererseits – müssen allerdings regional differenzierte Strategien zum Einsatz kommen, um den Zugang zu Arbeitsplätzen, die Erreichbarkeit von Kitas, Schulen und Ärzten, aber auch Freizeitverkehre und touristische Mobilität ohne eigenem Auto zu ermöglichen.

Das Interreg-Projekt Peripheral Access fokussiert mit seinen Partnern und Aktivitäten gezielt auf die bessere verkehrliche Anbindung von peripheren Räumen, in Grenzregionen und in ländlichen Regionen im Hinterland von urbanen Zentren in Mitteleuropa. Zur Frage, wie in diesen Gebieten unterschiedliche Verkehrsmittel besser miteinander verbunden werden können, gab es in Budapest am 11. April 2018 eine international besetzte „Sommer-Universität“.

Interreg: Aktivitäten vor Ort und bessere Vernetzung

Interreg-Projekte bieten einen guten Rahmen, um Probleme von allgemeiner Bedeutung zu analysieren und Lösungen modellhaft zu testen. Die Projekte senken durch die Bereitstellung europäischer Fördermittel zudem finanzielle Risiken bei der Umsetzung, erleichtern durch den thematisch-fachlichen Austausch die Übernahme von Erfahrungen in anderen Partnerregionen und bieten die Möglichkeit, erfolgreiche Ansätze in den politischen Raum zu kommunizieren.

Dafür planen die Projekte neben den konkreten Aktivitäten vor Ort auch Maßnahmen, um gezielt die Kommunikation zwischen den Partnern aber auch mit Expertinnen und Experten zu fördern. Dazu gehören Telefonkonferenzen, vor-Ort Besuche, Studienreisen, gemeinsame Analysen und spezielle Formate wie Sommer-Universitäten oder Dialogveranstaltungen zwischen den Partnern und ausgewählten Industrievertretern.

Peripheral Access Sommer-Universität in Budapest

Am 11. April 2018 fand in Budapest die Sommer-Universität von Peripheral Access statt, das im Rahmen des Interreg-Mitteleuropa-Programms gefördert wird. Ziel der Veranstaltung war der fachlichen Dialog zur Frage, wie es gelingt, verschiedene Verkehrsmittel auch im suburbanen und im ländlichen Raum besser miteinander zu vernetzten und diese Räume besser an die Metropolen anzubinden, um damit den ÖPNV attraktiver zu machen. Gut 40 Teilnehmende, darunter zur Hälfte ungarische Studierende, diskutierten an der Universität Budapest gute Beispiel und allgemeine Herausforderungen ländlicher Mobilität. Sechs Sprecherinnen und Sprecher aus Deutschland, Österreich, Schweden und Ungarn gaben in Vorträgen fachlichen Input.

Zsolt Denke, vom Centre for Budapest Transport, erläuterte in seinem Vortrag wie es in der ungarischen Hauptstadt gelingt, kleinere Siedlungen im Umland der Stadt, mit dem Bus anzubinden. Über Bedarfshalte und bedarfsorientierte Linienverlängerungen schafft es das städtische Verkehrsunternehmen einerseits, auf Kundenwünsche zu reagieren und andererseits Kosten zu sparen, wenn Linien und Fahrwünsche nicht nachgefragt werden. Diese Angebote sind stets zusätzlich zum normalen Linienverkehr und schränken reguläre Angebote nicht ein. Zsolt Denke betonte, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen die nachfrageorientierten Angebote so gut angenommen werden, dass sie in den Regelbetrieb übergehen.

Kluge Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht die einzige Lösung für das Mobilitätsproblem, die bei der Sommer-Universität vorgestellt wurde. Präsentiert wurden auch kreative und innovative Strategien zur Verbesserung der Mobilität. So stellte Bálint Michaletzky von der Firma GreenGo das erste Carsharing Angebot in Budapest vor, welches ausschließlich mit Elektrofahrzeugen operiert. Er machte deutlich, dass die Befreiung umweltfreundlicher Fahrzeuge von den Parkgebühren in Budapest erst die Etablierung eines stationsungebundenen Carsharing-Systems ermöglicht hat. Er wies darauf hin, dass Vorabzahlungen für die Registrierung oft eine Zugangsbarriere darstellen, selbst wenn diese Beträge später mit den Nutzungsgebühren verrechnet werden können. Die meisten Nutzer kommen zudem aus dem urbanen Raum. Nutzerinnen und Nutzer aus dem ländlichen Raum pendeln derzeit noch mit anderen Verkehrsmitteln in das Geschäftsgebiet ein. Bislang sind auch noch etwa 80 Prozent der Nutzer männlich. Dies erfordert in Zukunft veränderte Marketingstrategien.

Aber auch alternative öffentliche Verkehrsangebote sind in Europa mit Startschwierigkeiten konfrontiert. Doris Hahn von der ISTmobil GmbH nahm in ihrem Vortrag diese Probleme und Herausforderungen unter die Lupe. Ihr Unternehmen bietet als Vermittler und Organisator nachfrageorientierte Mobilität im ländlichen Raum an. Diese Angebote sind jedoch ausschließlich als unterstützende Dienstleistungen für den ÖPNV konzipiert und sollen den Anschluss an bestehende öffentliche Mobilitätsangebote sicherstellen. Nutzer melden Ihren Mobilitätswunsch 30 bis 60 Minuten (je nach Uhrzeit) vorher an. Das System als Angebot zwischen dem ÖPNV mit festen Strukturen und günstigen Preisen und der voll-flexiblen, aber teuren Taxinutzung basiert auf der Kooperation mit regionalen Taxiunternehmen. ISTmobil bietet als Dienstleistungen die Analyse der bestehenden Angebote, die Modellierung des zusätzlichen Bedarfes, die Entwicklung einer regionalen Tarifstruktur sowie die Erstellung der für die Umsetzung notwendigen Software (inkl. Call Center und App) an. Bislang kommt das Angebot in drei Regionen in Österreich zum Einsatz. In vier weiteren Regionen in Deutschland und Österreich sind konkrete Planungen zur Einführung in Arbeit bzw. bereits abgeschlossen. Das System braucht allerdings zusätzliche Zuwendungen der öffentlichen Hand, da die Fahrentgelte die Kosten nicht komplett decken. Diese sind jedoch im Vergleich zum klassischen ÖPNV sehr günstig und orientieren sich an der Finanzkraft und der Einwohnerzahl der Region.

Eine gute Ergänzung zu konventionellen ÖPNV-Angeboten stellen für den individuellen Verkehr Fahrräder dar. Bálint Kiss, von der Firma Cycleme Kft., präsentierte in Budapest Fahrradverleihsysteme in kleinen und mittleren ungarischen Städten. Er wies darauf hin, dass diese Systeme sowohl für Unternehmen aber auch Touristen, an Universitäten und die Mobilität in Kommunen zum Einsatz kommen können. Bislang liegt die Hauptnutzungszeit noch zwischen Frühling und Herbst. Die Nutzungskosten sind von Fall zu Fall unterschiedlich und sind in erster Linie von der Höhe der Unterstützung durch die öffentliche Hand oder der jeweiligen Unternehmen abhängig. Um mehr Unabhängigkeit vom Stromnetz zu erreichen, können bei Systemen, die mit Pedelecs betrieben werden, auch Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung zum Einsatz kommen. Dies ist insbesondere im ländlichen Raum von großer Bedeutung.

Kreative Lösungen für die Herausforderungen der Mobilität im 21. Jahrhundert sind gefragt. Die Interlink GmbH geht hier einen eigenen Weg und verbindet den Transport von Personen und Gütern (Logistik). Markus Krüger stellte bei der Sommer-Universität Beispiellösungen für die gemeinsame Nutzung von Bussen für den Transport von Personen und Gütern aus Deutschland vor. Durch die gemeinsame Nutzung von Überlandbussen ist es möglich, Unternehmen und Landwirte sowie deren Produkte zu den Kunden direkt oder zu Güterverteilzentren zu bringen. In der Uckermark, einer ländlichen Region in Brandenburg, kommt dieses System bereits zum Einsatz. In der Konsequenz bleibt oder wird der Busverkehr rentabel und Treibstoffkosten werden gespart. So profitiert auch die Umwelt. Als zweites Beispiel stellte Markus Krüger vor, wie durch eine regionale Umstrukturierung der Takte und Haltestellenstruktur ein Zuwachs von 30% der Fahrgäste erreicht werden konnte. In diesem Zusammenhang wurde u.a. der Unterrichtsbeginn in Schulen auf den Takt des Nahverkehrs abgestimmt, die Verbindungen zwischen Bus und Bahn synchronisiert und das Marketing verbessert.

Zum Abschluss präsentierte Anna Berlina, von Nordregio aus Schweden das MAMBA-Projekt im Interreg-Raum Ostsee. Viele der dort adressierten Herausforderungen waren vergleichbar mit denen in Mitteleuropa. Ein wichtiger zusätzlicher Aspekt im MAMBA Projekt ist die Frage, wie nicht nur Menschen die Mobilitätsdienstleistungen erreichen können sondern auch wie Dienstleistungen in der Pflege oder Online-Einkäufe zu den Menschen kommen. In zehn sogenannten Mobilitätszentren werden im Projekt in den kommenden zwei Jahren exemplarisch innovative Ansätze getestet und evaluiert. Für die weitere Umsetzung der Projektaktivitäten wurden zwischen Peripheral Access und MAMBA eine enge Kooperation und der Austausch von Projektergebnissen vereinbart.

Die sechs Vorträge boten den Teilnehmenden wertvolle Einblicke in aktuelle Herausforderungen und auch Lösungen zur Mobilität im ländlichen Raum bzw. an der Schnittstelle zwischen urbaner und ländlicher Mobilität. Es wurde deutlich, dass es durch Kreativität und politische Unterstützung möglich ist, die Abwärtsspirale aus sinkenden Fahrgastzahlen und Streichung wenig ausgelasteter Verbindungen zu unterbrechen und attraktive öffentliche Mobilitätsangebote zu gestalten. Vielfach ist es jedoch notwendig, dass verschiedenen Akteure gemeinsam an der Entwicklung von Lösungen arbeiten. Dazu gehören Verkehrs- und Taxiunternehmen, Schulen, Verwaltungen, Einzelhändler, Landwirte und Logistiker. Der Vortrag zum Mamba-Projekt machte den Teilnehmenden klar, dass Herausforderungen wie demografischer Wandel und knappe öffentliche Kassen in vielen Regionen in Europa relevant sind. Die Digitalisierung bietet inzwischen wichtige Lösungsmöglichkeiten. Alternative Bedienformen, die auf den tatsächlichen Bedarf regieren sind nur möglich, wenn es seitens des Verkehrsunternehmens Flexibilität in der Angebotsplanung gibt. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist das Marketing zu den neuen Mobilitätsoptionen.

Das Projekt Peripheral Access

Um eine bessere Mobilität im ländlichen Raum zu erreichen, unterstützt das Interreg-Projekt Peripheral Access die Intermodalität und Infrastruktur in den beteiligten Regionen Mitteleuropas sowie den Einsatz intelligenter Kommunikationstechnologien und innovativer Kooperations- und Marketingansätze. Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. übernimmt im Projekt die Federführung.

Zunächst analysieren die sieben Partnerregionen ihre bestehenden Mobilitätsangebote und erstellen darauf aufbauende Aktionspläne. Zu den anschließend geplanten Maßnahmen zählen zum Beispiel der Test intermodaler Verkehrsknotenpunkte (Stadtumlandregion Graz), die Einführung intelligenter Mobilitäts- und Fahrpreissysteme (Grenzregion Italien – Slowenien), die Planung eines intermodalen Bahnhofs (Stadt Lubin in Polen), Busse, die in größeren Maßstäben abgestimmt auf touristischen Verkehre Fahrräder transportieren bzw. grenzüberschreitende Zugverbindungen für Touristen (Grenzregion Tschechien – Österreich – Slowakei) oder bilinguale Marketingkampagnen für grenzüberschreitende Zugverbindungen in der deutsch-tschechischen Grenzregion.

Die Partnerregionen werden durch eine Vielzahl assoziierter Partner unterstützt, wie beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen oder das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. erhält für das Projekt zusätzlich eine Förderung durch das Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit.

Weitere Informationen:
www.interreg-central.eu/Peripheral-Access