Kommunikation: Forschung

Digitale Transformation überzeugend führen

Digitale Transformation
© Joshua Woroniecki auf Pixabay

Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO untersucht, was Führung für die digitale Transformation braucht

Muss digitale Transformation geführt werden? Wenn ja, was macht eine innovationsfördernde Führungsarbeit aus? Im Auftrag der Personalberatung Rochus Mummert befragte das Fraunhofer IAO die Führungsebene von führenden mittelständischen Industrieunternehmen in Deutschland. Die Studie zeigt Handlungsfelder, Erfolgsfaktoren und Herausforderungen der Führungsarbeit in Zeiten von immensem Innovations- und Digitalisierungsdruck auf.

Digitale Defizite

Ob vor, während oder nach Corona – Unternehmen stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, um in Zeiten von Globalisierung, spezifischer werdenden Kundenwünschen, gesellschaftlichen Trends und volatilen Märkten noch wettbewerbsfähig zu bleiben. Gefragt sind schnelle Reaktionsfähigkeit, agile Umsetzungen von Produktneuerungen oder Prototypen und bei gleichzeitig hoher Risikobereitschaft, neue Wege auszuprobieren. Die gegenwärtige Corona-Krise hat nicht nur Defizite in digitalen Infrastrukturen und Kompetenzen offenbart. Sie hat auch den Nutzen von digitalisierten Produktionsprozessen, Kundenschnittstellen, Arbeits- und Kooperationsstrukturen hervorgehoben, damit Organisationen arbeitsfähig bleiben konnten. Unternehmen stehen unter einem enormen Innovationsdruck – in Produkten, Dienstleistungen und Prozessen. Neben unterstützenden IT-Strukturen sind auch die Menschen einer Organisation von den Veränderungen betroffen. Vor allem Führungskräfte sind gefordert, ihre Mitarbeitenden in diesen Transformationsprozess mitzunehmen – sie zu führen, zu begleiten und zu motivieren. Um die bisher in Unternehmen umgesetzten Maßnahmen oder eingeschlagenen Wege zur digitalen Transformation aus der Führungsperspektive aufzunehmen und zu analysieren, hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Ende 2019 Unternehmen aus der Mandantschaft des Personalberatungsunternehmens Rochus Mummert sowie Institutskontakte befragt. Im Fokus stand die Führungsebene international agierender, mittelständischer bis größerer Unternehmen mit industriellen Strukturen. Die Studie „Führung in der digitalen Transformation. Ein Realitätscheck für mittelständische Industrieunternehmen“ enthält Handlungsfelder und -hilfen für Unternehmen, um den Weg aus der Krise zu meistern, aber auch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Mangel an Überzeugung, echtem Veränderungswillen und konsequentem Handeln

„Die Unternehmen, die bisher in Sachen Digitalisierung nichts gemacht haben, betreiben jetzt operatives Krisenmanagement. Zwar sind technisch einige Dinge in Bewegung geraten – natürlich auch zwangsläufig –, aber der echte Veränderungswille fehlt. Das merkt man vor allem daran, dass Unternehmen zwar nach außen einen modernen Anstrich zeigen, aber kreative Köpfe nicht lange bei sich halten können“, so Dr. Josephine Hofmann, Mitverfasserin der Studie und Leiterin des Bereichs Zusammenarbeit & Führung am Fraunhofer IAO. Das belegen auch die Ergebnisse der Studie. So hat ein Großteil der Befragten die Fähigkeit, Bedrohungen und Chancen für das bestehende Geschäftsmodell frühzeitig zu erkennen, positiv eingeschätzt. Doch bei der Einschätzung, daraufhin zügig zukunftsorientierte Handlungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, fallen die Ergebnisse schlechter aus. Den Fragen in Bezug auf eine innovationsorientierte Unternehmenskultur sind zwar gute Werte für eine gelebte Vertrauenskultur und authentisches Führungsverhalten zu entnehmen. Doch 48 Prozent der Befragten nahmen bei der Aussage, dass kreative Mitarbeitende angezogen und im Unternehmen bleiben, eine „teils / teils“-Haltung ein. Dieses gemischte Bild zeigt sich auch in der Unzufriedenheit der Befragten mit dem Stand der digitalen Transformation. 30 Prozent sind voll und ganz zufrieden bzw. eher zufrieden – 70 Prozent sind es jedoch nicht.

Querdenker statt Silberrücken: Es braucht Bewegung, Offenheit, Veränderungsfähigkeit

Dass Unternehmen weniger ein Erkenntnis- sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem haben, könnte laut dem Forschungsteam daran liegen, dass die Wirtschaft auf eine lange Phase von anhaltendem Wachstum zurückblicken kann. Demnach mussten bisherige Handlungsweisen auch nicht hinterfragt werden. Die digitale Transformation wurde demnach eher als eine Art Option betrachtet, nicht jedoch als erfolgsentscheidende Unternehmensstrategie. Nur 50 Prozent der Befragten gaben an, dass es eine zentrale Strategie zur Digitalisierung gibt, der Rest beschränkt sich auf partielle Strategien oder pilothafte Umsetzungen. Was es laut dem Expertenteam brauche ist Bewegung, Offenheit und Veränderungsfähigkeit, um sich von bekannten Bahnen zu lösen, neue Strategien und Märkte zu identifizieren. Dafür seien zukünftig Querdenker und neue Methoden gefragt, die Räume für Innovationen und Scheitern bieten, anstelle von erfolgreichen „Silberrücken“, die an Altbewährtem festhalten.

Wirksame Führung um digitale Transformation zu schaffen

„Wirksame Führung ist für das Gelingen von Innovationen und Transformationen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Studie hat offengelegt, dass es hier offensichtlich noch Nachholbedarf in einigen wesentlichen Punkten gibt. Beispielsweise mangelt es in vielen Unternehmen an einer Führung, die die Welt von morgen überzeugend, inspirierend und glaubhaft verkörpert, an einer ‚gesunden Paranoia‘, um die Veränderungsnotwendigkeit rechtzeitig zu erkennen und an einer Kultur, die den Beitrag zur Veränderung als Managementleistung entsprechend bewertet und honoriert“, erklärt Markus Gehrt, Geschäftsführer und Partner der Personalberatung Rochus Mummert Executive Consultants GmbH.

Originalpublikation:
Hofmann, J., Wienken, V.: Führung in der digitalen Transformation Ein Realitätscheck für mittelständische Industrieunternehmen.(Kostenloser Download)