Die Anpassung an den Klimawandel rückt weltweit immer stärker in den Mittelpunkt. Dabei ist entscheidend sicherzustellen, dass diese Bemühungen effektiv sind und unbeabsichtigte negative Folgen vermieden werden. Forschende der Universität Twente (Niederlande) haben zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Kenia, Indien, Südafrika, den USA und der Universität Bonn ein Rahmenwerk namens Navigating the Adaptation-Maladaptation Continuum (NAM) vorgeschlagen. Dieses Werkzeug kann bei Entscheidungsprozessen für Klimaanpassungsmaßnahmen hilfreich sein sowie eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft fördern. Die Ergebnisse sind nun im Journal Nature Climate Change veröffentlicht.
Durch die Analyse von Klimaanpassungsmaßnahmen anhand von sechs verschiedenen Kriterien zielt das NAM-Rahmenwerk darauf ab, sowohl erfolgreiche Anpassungspraktiken als auch potenzielle Fehlanpassungsrisiken zu identifizieren. Mithilfe des NAM-Rahmens können Entscheidungsträger innerhalb jedes Kriteriums spezifische Faktoren für eine erfolgreiche Anpassung oder eine Fehlanpassung identifizieren. So besteht beispielsweise bei Optionen, die die Auswirkungen auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen oder ethnische Randgruppen nicht berücksichtigen, häufig die Gefahr einer Fehlanpassung. Andererseits können Anpassungsoptionen, die zu Klimaschutzzielen beitragen, wie etwa die Wiederherstellung der Natur und die Kohlenstoffbindung, einen erheblichen Zusatznutzen haben.
Ermutigung von Entscheidungsträgern
Das NAM-Rahmenwerk bietet einen mehrdimensionalen Ansatz zur Bewertung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Er ermöglicht nicht nur eine umfassende Bewertung der Ergebnisse, sondern ermutigt die Entscheidungsträger auch dazu, sich entlang des Kontinuums von Anpassung und Nichtanpassung zu bewegen. Durch die Anwendung dieses Ansatzes können Anpassungsmaßnahmen als Teil eines breiteren Weges betrachtet werden, der Synergien, Kompromisse und Konflikte optimiert und gleichzeitig die Entscheidungsfindung unter Beteiligung mehrerer Interessengruppen fördert.
„Das NAM-Rahmenwerk plädiert für eine Abkehr von einer engen, kurzfristigen Perspektive, die ausschließlich die unmittelbare Wirksamkeit in den Vordergrund stellt“, sagt Dr. Diana Reckien, Professorin an der Abteilung für Stadtplanung und Geoinformationsmanagement der Universität Twente in Enschede (Niederlande). Stattdessen werde eine ganzheitlichere Betrachtung der langfristigen Auswirkungen und der miteinander verknüpften Reaktionen gefordert. „Mit diesem Ansatz lassen sich Anpassungsmaßnahmen besser mit weiter gefassten Klimazielen in Einklang bringen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.“
Fehlanpassungen lassen sich meist erst im Nachhinein erkennen
Prof. Dr. Lisa Schipper vom Geographischen Institut der Universität Bonn beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Fehlanpassung und hat ihr Fachwissen in die Studie eingebracht. „Von Fehlanpassung spricht man, wenn Strategien zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt werden und die Situation der Menschen verschlechtern, anstatt sie zu verbessern“, sagt die Wissenschaftlerin. Empirische Belege zeigen, so Lisa Schipper, dass viele Anpassungsbemühungen auf der ganzen Welt zu Fehlanpassungen führen. Die meisten Fehlanpassungen können jedoch erst im Nachhinein erkannt werden, wenn sie bereits eingetreten sind. „Dieses Papier stellt einen Durchbruch in der Denkweise dar, indem es einen Rahmen bereitstellt, der es Praktikern und Forschern ermöglichen kann, Fehlanpassungen zu erkennen, bevor sie auftreten“, sagt die Forscherin, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“ an der Universität Bonn ist. „Dies wird hoffentlich auch dazu beitragen, Befürchtungen von Geldgebern hinsichtlich des Risikos von Anpassungsfehlern zu zerstreuen.“
Risiken bei Klimaanpassungsmaßnahmen verringern
Die Kriterien des NAM entstanden nach einer umfassenden Bewertung der Literatur zu Fehlanpassungen und Anpassungen, die Teil der Arbeit am 6. Bewertungsbericht des Weltklimarats IPCC war. Sie zeigen, dass das Risiko einer Fehlanpassung verringert werden kann, wenn diejenigen, die am stärksten durch die Auswirkungen des Klimawandels gefährdet sind, von Anpassungskonzepten profitieren können. „Dies erfordert eine Umkehrung des üblichen Ansatzes, bei dem Geldgeber und externe Akteure sowie wohlhabende Eliten Entscheidungen treffen und Anpassungsprojekte durchführen, ohne diejenigen zu konsultieren oder einzubeziehen, die vom Klimawandel betroffen sein werden“, erläutert Lisa Schipper. Der NAM diene als Kompass, um herauszufinden, wie diese Art von Praktiken das Risiko einer Fehlanpassung beeinflussen kann, und bietet somit die Möglichkeit, Anpassungsstrategien zu überdenken und neu zu planen.
Weitere Informationen:
www.carbonbrief.org
Beteiligte Institutionen:
An der Studie waren neben der University of Twente in Enschede (Niederlande) und der Universität Bonn das Institute for Sustainable Development and International Relations der Sciences-Po in Paris (Frankreich), die La Rochelle University-CNRS (Frankreich), das United Nations Environment Programme in Nairobi (Kenia), das Indian Institute for Human Settlements in Bengaluru (Indien), die University of Capetown (Südafrika), die Columbia University in New York (USA), die Tufts University in Boston (USA) und das Red Cross Red Crescent Climate Centre in Den Haag (Niederlande) beteiligt.
Originalpublikation:
Diana Reckien, Alexandre K. Magnan, Chandni Singh, Megan Lukas-Sithole, Ben Orlove, E. Lisa F. Schipper & Erin Coughlan de Perez: Navigating the continuum between adaptation and maladaptation, Nature Climate Change, Internet: https://www.nature.com/articles/s41558-023-01774-6; https://doi.org/10.1038/s41558-023-01774-6