Alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollten für den Ausbau der Fernwärmesysteme Zielefestlegen, Mindestanforderungen für den Einbezug von erneuerbaren Energien und industrieller Abwärme bestimmen und nachhaltige Lösungen finanziell unterstützen. Zu diesen Schlüssen kommt eine aktuelle Studie von Öko-Institut mit Projektpartnern im Auftrag der Europäischen Kommission.
Die Studie legt dabei erstmals einen umfangreichen Sachstand zum Status Quo der Fernwärme und -kälte vor, gibt einen Überblick über bestehende gesetzliche Regulierungen der Fernwärmeversorgung und stellt die Potenziale der erneuerbaren Energien in diesem Bereich dar.
Der Fernwärmemarkt in Europa
Unter Fernwärme versteht man die Wärmeversorgung von Gebäuden über Fernwärmeleitungen. Dabei wird in zentralen Heizkraftwerken Wärme erzeugt und diese in wärmeisolierten Rohrsystemen an die einzelnen Gebäude verteilt. Diese Form der Wärmebereitstellung ist in den europäischen Staaten in sehr unterschiedlichem Ausmaß vertreten: von weniger als einem Prozent etwa in Belgien, Spanien, Irland bis zu 50 Prozent in den skandinavischen und baltischen Ländern. In Deutschland macht Fernwärme etwa neun Prozent der Raumwärmebereitstellung aus.
Insgesamt verbrauchten die EU-Länder im Jahr 2018 445 Terawattstunden (TWh) Fernwärme – in Deutschland wurden laut BMWK-Energiedaten im Jahr 2020 rund 105 TWh verbraucht. Hauptsächlich, zu 63 Prozent, kommen in EU-Ländern dabei Anlagen zum Einsatz, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen (Kraft-Wärmekopplung, KWK). Rund zwei Drittel der Fernwärme basiert auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Mit 30 Prozent ist Erdgas der wichtigste Brennstoff, gefolgt von Biomasse, Biokraftstoffen und erneuerbaren Abfällen mit einem Gesamtanteil von circa 27 Prozent. Knapp dahinter folgen Kohle und Torf mit einem Anteil von etwas weniger als 27 Prozent.
Förderung der Fernwärme für mehr Klimaschutz
Die Studie gibt auch einen Überblick über den aktuellen Stand der gesetzlichen Regulierung im Fernwärmemarkt. Dabei wird deutlich, dass die nationalen Fernwärmemärkte stark konzentriert sind und wenige Anbieter mehr als 70 Prozent des Marktes kontrollieren. Gleichzeitig sind – anders als in Deutschland – in mehr als der Hälfte der untersuchten Länder die Fernwärmepreise reguliert.
Rund die Hälfte der EU-Länder verfügt über explizite Regeln für den sogenannten Drittnetzzugang. Dabei handelt es sich um Regeln, unter welchen Bedingungen ein Netzbetreiber unabhängige Wärmeerzeuger an sein Wärmenetz anschließen muss. Einen regulierten Drittnetzzugang haben vor allem Länder mit einem hohen Fernwärme-Anteil, etwa Schweden, die baltischen Staaten sowie die meisten osteuropäischen Mitgliedsstaaten. Die Regeln unterscheiden sich dabei teilweise deutlich in der Regulierungstiefe.
Eine Öffnung der Wärmenetze für sogenannte Drittanbieter würde jedoch nicht zwingend dazu führen, dass mehr erneuerbare Energien oder industrielle Abwärme ins Gesamtsystem kämen oder die Preise sänken, so die Autorinnen und Autoren. „Würden jedoch erneuerbare Wärmeerzeuger wie Großwärmepumpen, Biomasse- und Geothermieanlagen, große Solarkollektorfelder und industrielle Abwärme in ein gemeinsames Fernwärmenetz einspeisen, könnten die Emissionen unserer Wärmeversorgung deutlich und dauerhaft sinken“, erläutert Benjamin Köhler, Energieexperte und Projektleiter am Öko-Institut. „Dafür müssen Marktbarrieren gegen den Wärmenetzausbau abgebaut und die Marktakteure dabei unterstützt werden, robuste Geschäftsmodelle auf Basis erneuerbarer Energien zu entwickeln.“
Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Tilia GmbH, der Technischen Universität Wien, IREES – Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien und dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI).
Studie „District Heating and Cooling in the European Union“ von Öko-Institut, Tilia GmbH, TU Wien, IREES, Fraunhofer ISI