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Vertikaler Gemüseanbau mit mobilen Hydroponik-Farmen

Forschungsprojekt Shower-Tower 61
Dr.-Ing. Grit Bürgow prüft Pflanzen an der vertikalen Farm. © TU Berlin

Projekt „Shower-Tower 61“ der TU Berlin: Lebensmittelversorgung in der Stadt auf wenig Fläche und kurzen Wegen

Um die 3,6 Millionen Berliner*innen ganzjährig auf herkömmliche Weise mit Salat zu versorgen, würde eine Fläche von 836 Hektar benötigt. Das entspricht mehr als der doppelten Fläche des Tempelhofer Feldes. Baut man den Salat jedoch auf einer vertikalen hydroponischen Farm an, dann reduziert sich der Flächenbedarf auf 38 Hektar, was nur noch knapp einem Zehntel des Tempelhofer Feldes entspricht. Das ergab eine beispielhafte Hochrechnung, die Dr. Grit Bürgow und Andreas Horn auf Grundlage des einjährigen Betriebs ihrer zwei Quadratmeter großen mobilen, vertikalen Hydroponik-Farm „Shower-Tower 61“ erstellten.

Seit dem Frühsommer 2020 wird die vertikale Hydroponik-Farm „Shower-Tower 61“ von der TU Berlin gemeinsam mit Partnern aus dem Forschungsprojekt „GartenLeistungen“ als Reallabor betrieben. Sie befindet sich in der Beachvolleyballanlage „Beach61“ im Gleisdreieck-Park unweit des Potsdamer Platzes. TU-Studierende hatten die prototypische Farm im Rahmen der Projektwerkstatt „Roof Water-Farm tu-project“ unter Leitung von Dr. Grit Bürgow, dem studentischen Koordinator Andreas Horn sowie dem Architekturstudenten Gabriel Sigler gebaut. Hydroponik bedeutet, dass die Pflanzen ausschließlich in einer Nährlösung herangezogen werden – ohne Erde.

Aufbereitetes Duschwasser ist gesundheitlich unbedenklich

Weitere Ergebnisse aus der ersten Betriebssaison des „Shower-Towers 61“ und aufbauend auf einschlägigen Forschungsergebnissen aus dem Roof Water-Farm-Projekt sind, dass das aufbereitete Duschwasser, in dem Salate und Kräuter heranwuchsen, bedenkenlos für die Lebensmittelproduktion verwendet werden kann. Zudem fungiert das neue zehn Quadratmeter große mobile Schilfbeet als Klimamodul. Es nimmt überschüssiges Wasser aus der Duschwasseraufbereitung auf, ist damit eine Art Puffer und wirkt zugleich wie ein Schwamm auch für Regenwasser. Über die hohe Verdunstungsleistung der Schilfpflanzen werden auf dieser Fläche bis zu 1000 Liter Wasser pro Tag verdunstet. Das sorgt für eine angenehm kühle Atmosphäre und entspricht zahlenmäßig fast der doppelten Menge des Berliner Jahresniederschlags. „Derartiges Feuchtgebietsgrün in öffentlichen Parks und städtischen Freiräumen zu etablieren, wäre ökosystemgestalterisch, ökonomisch und gesellschaftlich mit vielen Vorteilen verbunden“, betont Dr. Grit Bürgow. Es ist eine kostengünstige und einfache Maßnahme, um Trockenheit, aber auch hochwasserartigen Starkregenereignissen in der Stadt vorzubeugen. Vervielfältigte man dieses Gestaltungsprinzip, dann würden neben einer angenehmen Atmosphäre auch natürliche Wasserreservoire produziert, die ein temperiertes Klima erzeugten.

Gemeinschaftsgarten „himmelbeet“ in Berlin-Wedding

Seit Mai 2021 betreibt die TU Berlin im Gemeinschaftsgarten „himmelbeet“ in Berlin-Wedding nun eine zweite solche mobile, vertikale Hydroponik-Farm im städtischen Raum. Ist das Innovative beim „Shower-Tower 61“ die Nutzung von aufbereitetem Duschwasser, bewässern die TU-Wissenschaftler die Hydroponik-Farm im Gemeinschaftsgarten „himmelbeet“ mit dem Regenwasser, das vom Dach des dort befindlichen Cafés abfließt, und reichern es ebenfalls mit Nährstoffen an. Salate und Kräuter wie Basilikum, aber auch Kohl wie Pak Choi und roter Grünkohl oder Rüben wie Mangold gedeihen prächtig in einer solchen vertikalen Hydroponik-Farm. Und so wie das Bistro der Beachvolleyballanlage die Kräuter und Salate in seiner Küche verwertet, geschieht dies auch im Café des „himmelbeets“. „So entstehen kleine lokale Inseln der Lebensmittelversorgung auf kurzen Wegen, die zeigen, welche Ökosystemleistungen solche Gemeinschaftsgärten für den Menschen erbringen“, sagt Dr. Grit Bürgow. Unter Ökosystemleistungen werden unter anderem bereitstellende Leistungen wie etwa die Nahrungsmittelproduktion, aber auch regulierende Leistungen wie etwa für Wasser, Temperatur oder Klima bis hin zu kulturellen Leistungen wie Erholung oder Umweltbildung verstanden.

Der Jahresbedarf von 17 Personen wird gedeckt

„Für uns ist diese vertikale Hydroponik-Farm der TU Berlin in vielerlei Hinsicht spannend. Wir kommen mit neuester Technologie in Berührung, die zum einen äußerst platzsparend ist – im städtischen Raum ist die Frage nach der effizientesten Nutzung des vorhandenen Raums immer präsent – zum anderen können wir nun endlich unser Vorhaben, das Dachregenwasser des Cafés einzusetzen, realisieren“, sagt Felix Lodes vom Projekt „Himmelbeet“. Und für alle, die aus der Nachbarschaft in den Gemeinschaftsgarten kämen, sei die Farm ein niedrigschwelliges, anschauliches Angebot, mit Wissenschaft in Berührung zu kommen. Etwa 300 Hochbeete stehen im Berliner Gemeinschaftsgarten „himmelbeet“. Auf der Anbaufläche von 305 Quadratmetern werden in einer Gartensaison etwa 1.660 Kilogramm Lebensmittel erwirtschaftet. Diese Nahrungsmittel im Wert von circa 3.400 Euro decken theoretisch den Jahresbedarf von 17 Personen. Das ergaben Berechnungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das die Ökosystemleistungen von Gärten, Parks und Grünflächen in dem Projekt „GartenLeistung“ untersucht.

Aus der TU-Projektwerkstatt „Roof Water-Farm tu-project“ ist mittlerweile ein Start-up hervorgegangen. Der ehemalige TU-Tutor Andreas Horn erprobte erfolgreich eine kleine Version der vertikalen Hydroponik-Anlage auf seinem Balkon und gründete gemeinsam mit Alexander Schirrmeister das Unternehmen „HydroTower“. Sie sind angetrieben von der Idee, dass sich Stadtbewohner auch ohne eigenen Garten selbst mit Salaten, Kräutern und Gemüse versorgen können.

Die vertikalen hydroponischen Farmen sind Teil des Projektes „GartenLeistung. Urbane Gärten und Parks: Multidimensionale Leistungen für ein sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Flächen- und Stoffstrommanagement“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ein Ziel dieses Projektes ist es, den Nutzen von Gärten und Parks für das städtische Klima, die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen für den Menschen zu bestimmen.


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