Wasser könnte der wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts werden: Weltbevölkerung, Urbanisierung und Wasserbedarf für die Energiebereitstellung sowie die industrielle Produktion nehmen stetig zu. Die immer größer werdende Lücke zwischen Wasserangebot und -nachfrage ist ein zentrales Thema der Umweltforschung. Die vielfältigen Aktivitäten der Universitäten des Landes auf diesem Gebiet stärker zu vernetzen, ist Ziel des Netzwerks Wasserforschung Baden-Württemberg, einer Initiative des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). Die Geschäftsstelle des Netzwerks hat das MWK am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eingerichtet, Sprecher für die ersten drei Jahre ist Prof. Harald Horn. Das KIT ist zudem an einem Forschungsverbund zur Risikobewertung von Chemikalien in Gewässern beteiligt.
Mit der Geschäftsstelle am KIT wird für die Wissenschaft wie für die Gesellschaft eine zentrale Anlaufstelle für die Wasserforschung in Baden-Württemberg geschaffen. „Die Verbindung unterschiedlicher Disziplinen und Themenschwerpunkte in der Wasserforschung – wie sie sich auch unter dem Dach des KIT abbildet – bietet eine ausgezeichnete Basis, um das Netzwerk zu vertreten, komplementäre Ressourcen zu bündeln und weitere gemeinsame Forschungsperspektiven in Baden-Württemberg zu entwickeln“, so Prof. Detlef Löhe, Vizepräsident des KIT für Forschung und Information.
Die Herausforderungen für die Wasserforschung sind dabei vielfältig: Die Lücke zwischen verfügbarem Wasserangebot und steigender Wassernachfrage wird größer. Ein Drittel der Weltbevölkerung, so die Global Water Partnership (GWP), leidet bereits heute unter „Wasserstress“, sowohl im Hinblick auf die Wassermenge als auch die Wasserqualität. Die Ressource Wasser birgt damit reichlich Konfliktpotenzial und wird so zu einem der vielfältigsten Umweltthemen. „Schon aus regional baden-württembergischer Perspektive spiegeln zahlreiche Umweltprobleme das komplexe Spannungsfeld zwischen der Nutzung der Ressource Wasser einerseits und deren Schutz andererseits“, so der Sprecher des Netzwerks Prof. Harald Horn, verantwortlich für Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT. Oft seien Nutzungskonflikte die Folge, etwa zwischen Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung wie bei Nitrat- und Pestizideinträgen in das Grundwasser, zwischen Raumplanung und Hochwasserschutz wie beim Bau von Poldern in Auen, oder zwischen Energieversorgung und Gewässerschutz wie bei der Kühlwassernutzung thermischer Kraftwerke während Hitzeperioden. „Durch ihre Breite erfordern diese Themen ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit: Nur so können wir innovative Lösungsstrategien und Technologien für aktuelle und zukünftige Problemfronten in der Wasserforschung entwickeln und nachhaltig in die Praxis übertragen“, so Horn.
Netzwerk „Eff-Net“: Risikobewertung von Chemikalien in Gewässern
Drei standortübergreifende Projekte fördert das MWK nun für fünf Jahre als Forschernetzwerke mit jeweils rund zwei Millionen Euro. Das KIT ist gemeinsam mit den Universitäten Heidelberg (Sprecherhochschule) und Tübingen am Netzwerk „Eff-Net“ beteiligt (steht für: Effect Network in Water Research). Dabei geht es um Wirkungszusammenhänge für die Risikobewertung von vom Menschen in Gewässerökosysteme eingetragenen Chemikalien (Arzneimittel und Lebensmittelzusatzstoffe sowie deren Umwandlungsprodukt). Eff-Net verbindet naturwissenschaftliche Grundlagenforschung mit sozialwissenschaftlichen Ansätzen. Eine solch umfassende Risikobewertung stellt eine Notwendigkeit für weitere Entscheidungsprozesse dar. Dazu entwickeln die Forscher ein analytisches Netzwerk, das es ermöglicht, zunächst Lebensmittelzusatzstoffe (insbesondere künstliche Süßstoffe) und Medikamente (insbesondere Antidepressiva und Antidiabetika) sowie deren Umwandlungsprodukte in Gewässern zu identifizieren und zu quantifizieren. Außerdem werden die Wirkungen dieser Stoffe auf Lebewesen im Ökosystem Wasser auf der Ebene von Molekülen, Zellen und ganzer Organismen untersucht. Drei Arbeitsgruppen des KIT sind in diesem Projekt beteiligt. Sie beschäftigen sich mit den Wirkungen auf Stoffwechselwege in der Zelle (Rezeptoren und Signalwege) sowie auf bakterielle Gemeinschaften der Darmflora und damit Vitalität höherer Wasserorganismen. Ziel von Eff-Net ist es nicht nur, biologische Risiken zu identifizieren, sondern auch ihnen entgegenzuwirken. Dazu werden die Forschungsergebnisse gesellschaftlichen Interessengruppen (Konsumenten, politische Entscheidungsträger) vorgestellt und mit ihnen diskutiert, um darauf aufbauend Konzepte zur Steuerung von Konsumentenverhalten und für die Umweltgesetzgebung zu entwickeln.
Wasserforschung am KIT
Als Teil des KIT-Zentrums Klima und Umwelt deckt eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen – mit insgesamt etwa 250 wissenschaftlichen Mitarbeitern – nahezu die gesamte Breite der Wasserforschung ab: von den Natur- und Ingenieurwissenschaften bis hin zur Technikfolgenabschätzung. Die Wissenschaftler forschen zum gesamten regionalen Wasser- und Stoffkreislauf in natürlichen und vom Menschen geschaffenen Systemen von der Mikro- bis zur Flussgebietsskala. Das Themenspektrum reicht dabei von der Untersuchung von Transportprozessen im gesamten Wasserkreislauf über die Entwicklung numerischer und physikalischer Modelle für Grundlagenforschung und die wasserwirtschaftliche Praxis bis hin zur Entwicklung innovativer Technologien zur Wasseraufbereitung. Das KIT initiiert und bearbeitet auch international sichtbare Verbundvorhaben, darunter aktuell eine Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit starker Beteiligung weiterer baden-württembergischer Universitäten. Über breite Erfahrung verfügen die Forscher des KIT auch im Integrierten Wasserressourcenmanagement (IWRM), entsprechende Verbundprojekte laufen seit mehreren Jahren unter KIT-Führung und -Beteiligung. Zielregionen für internationale Projekte in der Wasserforschung sind der südostasiatische Raum, die Region Israel, Jordanien und Palästina sowie Afrika und Südamerika.
Weitere Informationen zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt:
www.klima-umwelt.kit.edu