Energie: Projekte

Die Altdorfer Energiezukunft ist digital und flexibel

Altdorfer Feldversuch
Florian Priller (Bayernwerk AG), Simon Köppl und Thomas Estermann (Projektleiter der FfE e.V. – nicht im Bild Andreas Zeiselmair) sowie Thorsten Noé als erster angebundener ALF-Teilnehmer (v. links). © FfE

Altdorfer Bürger helfen bei der Entwicklung des künftigen Netzengpassmanagements der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) und dem Bayernwerk

Kick-off für den Feldversuch in Altdorf: Ende Oktober wurde die erste PV-Anlage mit einem intelligenten Messsystem inkl. Steuerbox ausgestattet und ist somit Teil des Altdorfer Flexmarktes (ALF). Im Demonstrationsprojekt C/sells erprobt die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) aus München gemeinsam mit dem Verteilnetzbetreiber Bayernwerk ein innovatives Konzept für den netzdienlichen Einsatz von Flexibilität aus dezentralen Anlagen. Letztverbraucher nehmen dabei mit ihren Erzeugungs-, Verbrauchs- und Speicheranlagen eine aktive Rolle im künftigen Energiesystem ein.

Die bisherigen 30 Interessenten werden nun nach und nach mit einem intelligenten Messsystem ausgerüstet und somit aktiv ins Projekt eingebunden. Weitere Teilnehmer sind geplant und erwünscht. Durch die Demonstration des Altdorfer Flexmarktes können relevante Erfahrungen zu Lösungskonzepten für ein sicheres, effizientes als auch akzeptiertes Energiesystems gesammelt werden. Somit können nicht nur die technische Funktionsfähigkeit der intelligenten Messsysteme getestet, sondern auch weitere relevante wissenschaftliche Fragestellungen analysiert werden.

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der FfE, erklärt: „Im Zeichen des Internet of Things und von Industrie 4.0 sollten die Zukunft gestaltenden Innovationen auch vor den Haushalten nicht haltmachen. Die technische Energiewende spielt sich überwiegend im Verteilnetz ab. Insbesondere in den Haushalten kann jedoch durch die Digitalisierung noch einiges an Potenzialen gehoben und innovative Ansätze sowie neue Geschäftsmodelle können ermöglicht werden. Die Digitalisierung bringt somit die Menschen viel näher an das Energiesystem. Ein Projekt wie C/sells ist deshalb immens wichtig, weil Wissenschaft und Praxispartner nachhaltige Lösungen demonstrieren können und gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern notwendige Weichenstellungen diskutieren werden.“

Dabei erfährt das Projekt maßgebliche Unterstützung durch die Kommune Markt Altdorf, welche durch aktive Teilnahme an ALF mit PV-Anlagen aus öffentlichen Liegenschaften als auch durch die Bereitstellung von Tagungsräumen das Projekt vor Ort mitgestaltet.

In einer erneuerbaren und dezentralen Energiewelt spielt die Einbindung von flexiblen Anlagen für einen effizienten Netzbetrieb eine entscheidende Rolle. Durch die fortschreitende Digitalisierung in der Energiewirtschaft werden zugleich innovative Lösungskonzepte ermöglicht. Bayernwerk Vorstandsmitglied Dr.-Ing. Egon Leo Westphal spricht in Bezug auf die Digitalisierung des Energiesystems auch von einem Paradigmenwechsel für beteiligte Akteure: „Energiewende ist nicht nur durch Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung geprägt. Der Kunde rückt durch seine zunehmend aktive Rolle in den Fokus, wodurch die Energiewende auch Demokratisierung bedeutet.“ Dr. Westphal verweist hier auf die Weiterentwicklung von Prosumern hin zu sogenannten Flexumern, welche ihre Flexibilität mit Hilfe digitaler Infrastruktur netzdienlich zur Verfügung stellen und somit aktiv am Energiesystem teilnehmen – in der Region Altdorf bei Landshut wird dies nun durch die Umsetzung des Altdorfer Flexmarktes in der Praxis erprobt.

Als Teil des SINTEG Projektes „C/sells“ wird den Netzbetreibern durch den Altdorfer Flexmarkt ein Werkzeug bereitgestellt, welches mit einem marktlichen Ansatz Netzengpässe vermeidet. Hierdurch reduziert sich der Rückgriff auf Notfallmaßnahmen wie bspw. das Abregeln von EE-Anlagen. Die hierfür notwendige Flexibilität wird durch im Verteilnetz verortete Flexibilitätsoptionen wie PV Anlagen, Wärmepumpen, Speicher oder auch Elektrofahrzeuge bereitgestellt.

Die FfE-Aktivitäten im Verbundprojekt C/sells werden im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert (Förderkennzeichen: 03SIN121)

Mit dem intelligenten Messsystem vom Whiteboard ins Feld

Wissenschaftliche Konzeption, technische Analysen, regionale Informationsveranstaltungen und gezielte Ansprache von potenziellen Teilnehmern – seit Beginn des Projektes Anfang 2017 haben die Projektteams der FfE und Bayernwerk die notwendigen Grundlagen für den Feldversuch zur Umsetzung des Altdorfer Flexmarktes geschaffen. Ende Oktober 2019 war es so weit: Der erste Teilnehmer wurde erfolgreich für eine Einbindung im Demonstrationsprojekt ausgerüstet – und sein Kellerraum somit digitalisiert.

Damit die Kommunikation zwischen der Anlage vor Ort und dem Altdorfer Flexmarkt sicher und zuverlässig abläuft, wird ein intelligentes Messsystem (auch Smart Meter genannt) verbaut. Das Smart Meter Gateway sorgt dabei für eine sichere Datenverschlüsselung und schützt die Daten gegen unerwünschten Zugriff. Diese Infrastruktur soll in den nächsten Jahren flächendeckend in Deutschland verbaut werden. Für eine Skalierung des Altdorfer Flexmarktes ist somit keine zusätzliche Infrastruktur nötig, da die Funktionalitäten des intelligenten Messsystems genutzt werden können. Die weitere technische Umsetzung im Projekt erfolgt durch die enge Zusammenarbeit mit der Power Plus Communications AG (Smart-Meter-Gateway Lieferant) sowie der E.ON Metering GmbH (Bereitstellung einer aEMT-Plattform).

Nähere Informationen zum Projekt finden Interessierte unter www.ffe.de/alf


Kurzprofil der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V.:
Die FfE e.V. ist eine unabhängige, gemeinnützige Institution, die sich auf wissenschaftlicher Grundlage mit energietechnischen und energiewirtschaftlichen Fragen befasst. An der FfE bearbeitete Themenfelder umfassen unter anderem die Bereiche Erzeugung und Markt, Digitalisierung im Energiesystem, Mobilität, Speicher und Netze sowie Ressourcen und Klimaschutz.
Neben der fachlichen Ausrichtung verfolgt die FfE das Ziel, die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und damit die Steigerung von Fachwissen und methodischer Kompetenz im Energiesektor zu unterstützen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1949 wurden an der FfE nahezu 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachuniversitär weitergebildet und jährlich werden etwa 30 Abschlussarbeiten und drei Promotionen betreut.