Wie beurteilen Bürger die Entwicklung nutzenversprechender Technologien, die aber ein unbekanntes Risiko bergen? Im Wissenschaftsbarometer 2015 wägen die Befragten ab: Ein Drittel spricht sich für den Stopp solcher Technologien aus, ein Drittel plädiert für eine Fortführung der Entwicklung, der Rest ist unentschieden. Das Wissenschaftsbarometer betrachtet aktuelle Einstellungen der Bürger zu Wissenschaft und Forschung. Die repräsentative Umfrage wurde zum zweiten Mal von Wissenschaft im Dialog (WiD) beauftragt.
Die Skepsis der Befragten bei der Entwicklung neuer, möglicherweise risikobehafteter Technologien wertet Markus Weißkopf, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog, als Hinweis dafür, „dass die Wissenschaft weiter auf Bürgerinnen und Bürger zugehen muss. Risiken, aber auch Chancen neuer Technologien, sollten mit Bürgern und der Zivilgesellschaft diskutiert werden.“ Dies zeige sich auch darin, dass mehr als 40 Prozent der Befragten der Meinung sind, die Öffentlichkeit werde nicht genügend in Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung einbezogen.
Einfluss der Wissenschaft auf die Politik
Wissenschaftliche Erkenntnisse stellen oftmals eine Basis für fakten- und wissensbasierte Entscheidungen in der Politik dar. Das Wissenschaftsbarometer 2015 zeigt in diesem Zusammenhang, dass 54 Prozent der Deutschen den Einfluss der Wissenschaft auf politisches Handeln für zu gering halten. Dazu sagt Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von WiD: „In Wissenschaftsgesellschaften müssen politische Entscheidungen fast immer auch wissenschaftliches Wissen einbeziehen. Politik bedarf – und vermutlich in wachsendem Umfang – wissenschaftlicher Informationen und Deutungsszenarien. Die Einschätzung der Bundesbürger, dass der Einfluss von Wissenschaft und Forschung auf die Politik durchaus größer sein dürfte, zeigt jedenfalls, dass der Forschung in der deutschen Öffentlichkeit großes Vertrauen entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen beruht in besonderem Maße gewiss auch darauf, dass Forschung hierzulande über ein beachtliches Maß an Unabhängigkeit verfügt – und auch über die nötigen Freiräume zur Entfaltung des Eigensinns wissenschaftlicher Welterkenntnis.“
Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft
Die Zusammenarbeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen mit Unternehmen bewerten mehr als drei Viertel der Befragten positiv. Die Bundesbürger wurden gefragt, ob eine Zusammenarbeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen mit Unternehmen aus ihrer Sicht eher Vor- oder Nachteile für die Wissenschaft bringt. Nur eine Minderheit sieht in der Kooperation mit der Wirtschaft eher Nachteile für die Wissenschaft.
Interesse und Informationsverhalten
Wie die Vorjahresumfrage zeigt das Wissenschaftsbarometer 2015, dass Themen aus der Wissenschaft für die Bundesbürger spannend und wichtig sind: 36 Prozent der Befragten geben ein sehr großes oder eher großes Interesse an wissenschaftlichen Themen an. Als Informationsquellen werden am häufigsten Fernsehsendungen sowie Artikel in Zeitungen oder Magazinen genannt. Zwei Drittel der Befragten informieren sich im Internet über Wissenschaft und Forschung, am meisten über Websites und Mediatheken von Nachrichtenmedien. Wissenschaftliche Informationen auf Videoplattformen wie YouTube oder in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter erreichen knapp die Hälfte beziehungsweise ein Drittel derjenigen, die sich generell im Internet über Wissenschaft informieren.
Vertrauen in Aussagen von Wissenschaftlern
Neben dem Interesse an wissenschaftlichen Themen wurde – wie auch 2014 – das Vertrauen der Bürger in die Aussagen von Wissenschaftlern zu verschiedenen Bereichen erfasst. Zwischen Klimawandel, Erneuerbaren Energien, der Entstehung des Universums oder Grüner Gentechnik gibt es große Unterschiede: Das Vertrauen der Bürger in die Aussagen von Wissenschaftlern ist wie 2014 beim Thema Erneuerbare Energien mit 52 Prozent (2014: 44 Prozent) am größten, beim Thema Grüne Gentechnik mit 18 Prozent (2014: 16 Prozent) am geringsten.
Forschungsthemen der Zukunft und Nutzen der Wissenschaft
Nahezu jeder zweite Deutsche hält Gesundheit und Ernährung für die zentralen Forschungsbereiche der Zukunft. Rund ein Drittel der Bundesbürger sieht Klima und Energie ganz vorn. Mit Abstand folgen die Forschungsbereiche Innere Sicherheit, Kommunikation und Digitalisierung sowie Mobilität. Insgesamt wird die Bedeutung von Forschung für die Gesellschaft hoch eingeschätzt: Mehr als die Hälfte der Befragten spricht sich – selbst unter einem allgemeinen Sparzwang – gegen eine Kürzung des Forschungsetats aus. Nur vier Prozent sind der Meinung, dass bei einer Notwendigkeit zum Sparen, die Ausgaben für Forschung als erstes reduziert werden sollten.
Repräsentative Bevölkerungsumfrage
Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2015 basieren auf 1004 Telefoninterviews (Festnetz), die vom 30. Juni bis 4. Juli 2015 im Rahmen einer Mehrthemenumfrage von TNS Emnid im Auftrag von Wissenschaft im Dialog geführt wurden. Als Grundgesamtheit diente die deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 14 Jahren. Das Wissenschaftsbarometer 2015 wird von der Philip Morris Stiftung gefördert und vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften unterstützt.
Weitere Informationen:
www.wissenschaftsbarometer.de