Die Energiewende stellt auch aus rechtlicher Sicht eine gewaltige Herausforderung dar. In einem neuen Forschungsprojekt arbeiten Juristen der Universität Würzburg in den kommenden zwei Jahren an einer Analyse der Situation. Die Fritz-Thyssen-Stiftung fördert das Projekt.
Im Jahr 2011 hat die Bundesregierung die Energiewende ausgerufen. Nicht nur nach Ansicht von Experten stellt dieses Vorhaben eine der bedeutendsten Herausforderungen der Gegenwart dar und wird daher zu Recht als Jahrhundertprojekt bezeichnet. Seine Umsetzung erweist sich in naturwissenschaftlich-technischer, gesellschaftspolitischer, ökonomischer und nicht zuletzt juristischer Hinsicht als ambitioniert.
Zahlreiche Widerstände
Zunehmend rücken auch die Schattenseiten der Energiewende ins Bewusstsein. Prägnante Beispiele bilden die Klageflut der Energieversorger gegen den Atomausstieg, die Widerstände in der Bevölkerung gegen den Stromnetzausbau, die Sorge um die Versorgungssicherheit oder die den Strompreis in die Höhe treibende EEG-Umlage. Die hieraus resultierenden völker-, europa- und verfassungsrechtlichen Probleme sind vielfältig und in erheblichem Maße interdisziplinär geprägt.
Eine wissenschaftlich fundierte und interdisziplinär geprägte Gesamtanalyse der Situation wird nun an der Universität Würzburg erstellt. Initiator ist Professor Markus Ludwigs, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht. Das Projekt „Das Recht der Energiewende“ ist zunächst auf zwei Jahre angelegt; die Fritz-Thyssen-Stiftung fördert es finanziell. Eine erste Tagung zum Thema „Der Kernenergieausstieg und die Folgen“ ist für das Frühjahr 2016 geplant.
Die zentralen Elemente der Energiewende
Zwar ist der Begriff „Energiewende“ schon 1980 vom Freiburger Öko-Institut als Chiffre verwendet worden, um Szenarien für eine alternative Energiezukunft zu propagieren. Endgültig etabliert hat sich die Idee aber erst drei Jahrzehnte später unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima. Als Reaktion darauf ist in Deutschland ein radikaler Wandel in der Klima- und Energiepolitik erfolgt, für den drei miteinander verbundene Elemente prägend sind.
Erstens wurde mit der 13. Atomgesetznovelle vom 31. Juli 2011 der vollständige und beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie bis Ende 2022 fixiert. Zugleich ist die bereits Anfang 2011 eingeführte Brennelemente-Steuer beibehalten und die Suche nach dem geeigneten Standort für ein Atommüll-Endlager intensiviert worden.
Zweitens erfolgte eine beschleunigte Abkehr von fossilen Energieträgern und ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2050 soll der sogenannte Ökostrom mindestens 80 Prozent am Bruttostromverbrauch ausmachen. Um dies kosteneffizient und europarechtskonform zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2014 einen Paradigmenwechsel weg von festen Einspeisetarifen und hin zu stärker wettbewerblich geprägten Fördermechanismen, wie dem Ausschreibungsverfahren, vollzogen.
Drittens ergeben sich aus der Kombination von Kernenergieausstieg und Ausbau der erneuerbaren Energien elementare Folgeprobleme, die zu lösen sind. Dabei gilt es zum einen zu garantieren, dass der Ökostrom die Verbraucher auch erreicht. Voraussetzung hierfür ist ein Ausbau der Stromnetze, die den im windreichen Norden auf See oder an Land erzeugten Strom in den Süden transportieren. Zum anderen stellt die Gewährleistung der Versorgungssicherheit eine Herausforderung dar. Um die Rentabilität der hierfür benötigten konventionellen Kraftwerke sicherzustellen, wird aktuell ein neues Strommarktdesign diskutiert.