Kommunikation: Projekte

Krisenmanagement nach der Katastrophe

Flut-Katastrophe im Ahrtal
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 richtete massive Schäden im gesamten Ahrtal an. In Rech zerstörten die Wassermassen die Nepomukbrücke. © Ralf-Michael Vetter, Fraunhofer FKIE

Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg startet das Projekt „lokik”

Kein Ereignis in den vergangenen Jahrzehnten hat die Menschen im Ahrtal und Teilen des Rhein-Sieg-Kreises so umfassend und mit einer solchen Wucht getroffen wie die Flutkatastrophe im Juli 2021. Angesichts der Erfahrungen jenes verheerenden Hochwassers hat das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg das Projekt „lokik“ gestartet: Ziel ist die Entwicklung einer Plattform, mit deren Hilfe in der Akutphase einer Katastrophe zügig ein unabhängiges Kommunikationsnetz und ein lokales Lagebild aufgebaut werden können.

Die Initiative zu dem Projekt „lokik“, kurz für „Lokales initiales Krisenmanagement“, ging von FKIE-Mitarbeitenden aus, die selbst von der Flut betroffen waren. „Das Chaos gerade in den ersten Stunden und Tagen gab für uns den Ausschlag, hier etwas zu unternehmen“, so Dr. Michael Wunder, Leiter der Forschungsabteilung Informationstechnik für Führungssysteme (ITF) am FKIE. „Hinzu kam, dass unser Institut seit vielen Jahren Lösungen für hochkomplexe, dynamische und risikoreiche Entscheidungsprozesse auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung oder auch bei kritischen zivilen Infrastrukturen anbietet. Wir sind also fit bei der Entwicklung und dem Betrieb von Systemen, die bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen.“

Sicherer Informationsfluss in einer Katastrophe

Kein Strom, kein Mobilfunk-Netz, zerstörte Straßen: In den ersten Tagen nach der Flut waren etliche Orte im Ahrtal komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Insbesondere der Ausfall der Kommunikationsnetze erschwerte es den Helfern, sich einen Überblick über die aktuelle Lage zu verschaffen und Einsätze zu koordinieren. In dem Projekt „lokik“ entwickeln die FKIE-Wissenschaftler eine Lösung aus Hard- und Software, die in der Akutphase einer Katastrophe unmittelbar den Informationsfluss sicherstellt und einen Überblick über die Lage liefert.

Mit relativ günstiger, aber professioneller IT-Hardware lässt sich ein lokales Kommunikationsnetz aufspannen, über das alle WLAN-fähigen Endgeräte wie Smartphones und Tablets Zugriff erhalten. Diese Plattform wird autark und unabhängig vom Stromnetz betrieben, ist robust und leicht zu bedienen. Die Software von „lokik“ bietet unterschiedliche Ansichten für den Krisenstab, die Einwohner und Helfer vor Ort und ein Tool, um interaktiv Schadensmeldungen zu erfassen und Aufträge zu koordinieren. Rechner und Kommunikationskomponenten werden an einem sicheren Ort in der Gemeinde positioniert und im Katastrophenfall unabhängig von externer Technik mit einer eigenen Stromversorgung schnell in Betrieb genommen.

Als Projektpartner unterstützen die von der Flut betroffene Gemeinde Mayschoß, die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Remagen und der Ortsbezirk Birresdorf aus der Gemeinde Grafschaft das Vorhaben. Neben FKIE-Mitarbeitenden haben sich auch zahlreiche Betroffene aus diesen Gemeinden in die Ausarbeitung der Projektidee eingebracht und begleiten die Umsetzung in den nächsten Monaten.

In einem nächsten Schritt testen die FKIE-Wissenschaftler die „lokik“-Lösung, die bis September 2023 fertiggestellt werden soll, in den beteiligten Gemeinden auf ihre Praxistauglichkeit. „Das Ergebnis wird weder eine Rundum-Sorglos-Lösung sein noch ein umfassendes Führungssystem speziell für Hochwasserkatastrophen“, sagt Projekt- und FKIE-Forschungsgruppenleiter Arne Schwarze. Es entstehe vielmehr eine für unterschiedliche Katastrophenszenarien vom Schneesturm bis zum Vulkanausbruch einsetzbare Lösung, die für die Betroffenen und die lokalen Kräfte handhabbar ist. „Es wird im Ernstfall weiter improvisiert, weil sich nie alle Szenarien im Detail vordenken lassen, aber mit deutlich besseren Voraussetzungen“, so der Wissenschaftler. „Die Technik ist ausgefeilt, bleibt aber im Hintergrund – etwas, das sich einfach anfühlt und funktioniert.“

Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird das Projekt „lokik“ auf der Fachausstellung AFCEA am 11. und 12. Mai 2022 im Foyer des World Conference Centers Bonn (WCCB), Stand F 15.

Weitere Informationen zum Projekt:
www.fkie.fraunhofer.de/lokik