Zu den negativen Auswirkungen der Versiegelung städtischer Flächen gehören u. a. erhöhte Überflutungsrisiken, höhere Temperaturen, Luftverschmutzung sowie der Verlust von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. Ein Forschungsteam der Westfälischen Hochschule hat in Zusammenarbeit mit dem Kreis Recklinghausen die Software „adois“ entwickelt, die auf Künstliche Intelligenz setzt und vollautomatisiert versiegelte Flächen erkennen und klassifizieren kann. Eine wichtige Grundlage für die Umsetzung klimawirksamer Maßnahmen für die Kreisstädte.
Lernprozess: Vielfältige Daten für die Künstliche Intelligenz
„adois“ nennt sich die Software des 2019 gegründeten Forschungsteams aus Prof. Dr. Christian Kuhlmann, Marius Maryniak und Alexander Roß. Die Abkürzung steht für „Automatic Detection of Impervious Surfaces“ (Automatische Erkennung von undurchlässigen Oberflächen). Ziel des vom Kreis Recklinghausen beauftragten Projektes war es, Versiegelungsflächen der kreiseigenen Liegenschaften automatisiert mittels Künstlicher Intelligenz (KI) zu erkennen und nach dem Grad der Versiegelung einzuteilen. Als Datengrundlage zum Trainieren und Testen der neuronalen Netze dienten dabei unterschiedliche Daten, darunter Luftbildaufnahmen, Satellitenbilder sowie kommunale Bestandsdaten. Weitere Informationen zum Anlernen der KI lieferten der Emschergenossenschaft Lippeverband (EGLV), der Regionalverband Ruhr (RVR) sowie die Stadt Bottrop.
Indikator für Handlungsbedarf bei Klimaschutzprojekten
Jürgen Vahlhaus, Leiter des Fachdienstes Kataster und Geoinformation des Kreises Recklinghausen, erläutert: „Die gewonnenen Daten ermöglichen es uns, Bereiche hinsichtlich ihrer klimaökologischen Beschaffenheit genauer und detaillierter zu beurteilen. Diese Erkenntnisse sollen wiederum als Grundlage für Handlungskonzepte und Anpassungsmaßnahmen dienen.“
Luftbildaufnahmen liefern Informationen
Über einen Zeitraum von 12 Monaten fütterten Prof. Kuhlmann und sein Team die Künstliche Intelligenz mit den vorliegenden Daten an und entwickelten einen Algorithmus für die Klassifizierung der Flächen. Die Analyse verschiedener verfügbarer Datenquellen zeigte schnell, dass sich aufgrund der Anforderungen an die Genauigkeit der Versiegelungskarten Luftbildaufnahmen am besten dazu eignen. Darüber hinaus erhielt das Projektteam Zugriff auf Versiegelungskarten, die von dem EGLV für den Emscher-Lippe-Bereich manuell erstellt und kontinuierlich gepflegt werden. Diese Daten boten eine ideale Basis zum Trainieren der KI.
Komplexe Herausforderungen für Software-Entwicklung
„Die Herausforderung bei der Entwicklung bestand in der Konfiguration des Lernalgorithmus und der Aufbereitung der Trainingsdaten, um ein optimales Erkennungsergebnis mit einer Genauigkeit von 20 cm zu erzielen“, so Prof. Kuhlmann vom Fachbereich Elektrotechnik der Westfälischen Hochschule. „Außerdem haben wir Wert auf die nutzungsfreundliche und praxistaugliche Aufbereitung der Daten gelegt. Die Erkennungsergebnisse werden als vektorisierte, georeferenzierte Versiegelungskarten ausgegeben. Darüber hinaus können Nutzende eine beliebige Flächeneinteilung eines Gebietes vorgeben. Unsere Software weist dann jeder Einzelfläche den prozentualen Anteil der Versiegelung zu, unterschieden nach Gebäudeflächen und sonstigen versiegelten Oberflächen. So werden per Knopfdruck bedarfsgerechte Versiegelungskarten erzeugt“, so Marius Maryniak, der hauptsächlich die Implementierung des Systems durchgeführt hat.
Entscheidungshilfe für das kommunale Flächenmanagement
Im März 2023 konnte das Forschungsteam mit „adois“ eine einsatzfähige Software an den Kreis Recklinghausen übergeben. Trotz der großen zu verarbeitenden Datenmenge benötigt diese vergleichsweise wenig Rechenleistung. Die Software steht frei unter einer Open-Source-Lizenz zur Verfügung. „Die Flächenversiegelung im Ruhrgebiet hat zu einer Beeinträchtigung der ökologischen und sozialen Funktionen in diesem urbanen Raum geführt. Die Software bietet eine wichtige Unterstützung bei der zielgenauen Planung und Bewertung von Maßnahmen für mehr Klima- und Umweltschutz in unseren Städten und bei der Umsetzung eines nachhaltigen, kommunalen Flächenmanagements“, so das Fazit von Jutta Emming vom Team Klima des Kreises Recklinghausen.