Mobilität: Projekte

Mehr Elektrofahrzeuge: Da wird die Ladesäule zum Wettbewerbsvorteil

Ladesäule für Elektrofahrzeuge
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Unternehmenseigene E-Ladeinfrastruktur: Heute werden Elektrofahrzeuge in 80 Prozent der Fälle entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen

Die Anzahl der Elektrofahrzeuge auf den deutschen Straßen steigt konstant. Für deren Fahrer ist vor allem eine lückenlose Ladeinfrastruktur wichtig. Noch gibt es hier viel brachliegendes Potenzial, das Unternehmen mithilfe eigener Ladesäulen als klaren Wettbewerbsvorteil für sich nutzen könnten. Denn welcher Fahrer lädt sein Fahrzeug nicht am liebsten dort auf, wo er sich im Alltag bewegt – sei es am Arbeitsplatz oder während des Einkaufs im Supermarkt.

2018 wurden weltweit über 2 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft, während es im Jahr 2010 nur wenige tausend waren. Laut einer neuen Analyse des Marktforschungsunternehmens Bloomberg New Energy Finance (BloombergNEF) wird vermutet, dass der jährliche Umsatz für Elektrofahrzeuge 2025 auf 10 Millionen, 2030 auf 28 Millionen und bis 2040 auf 56 Millionen ansteigen wird. In Norwegen waren im September 2019 bereits rund 65 Prozent der verkauften Neuwagen Elektrofahrzeuge.

Elektrofahrzeuge sind dabei, sich als Standard zu etablieren. Käufer, die einen Benziner einem Elektrofahrzeug mit vergleichbarem Preis vorziehen, könnten bald in der Minderheit sein. Laut Bloomberg planen Automobilhersteller bis 2023 rund 234 Billionen Euro in Elektromobilität zu investieren. Es ist ein tiefgreifender Umbruch, wie es ihn seit der Erfindung des Autos nicht gegeben hat. Die raschen Veränderungen hin zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren bieten vorausschauend handelnden Unternehmen ungeahnte Möglichkeiten.

Ladeinfrastruktur als moderner Anreiz

Ähnlich der Energiewende zeichnet sich in vielen Ländern auch eine Mobilitätswende ab. Diese kann künftig den Arbeitsmarkt stark beeinflussen, denn Mitarbeiter nutzen täglich unterschiedliche Transportmittel, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Für viele Mitarbeiter, darunter auch die zunehmende Zahl derer, die sich für den Kauf eines Elektrofahrzeuges entschieden haben, ist es wichtig, dass der Arbeitgeber mit den eigenen Wertvorstellungen im Einklang steht. Der Einsatz von Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz bietet dem Mitarbeiter daher nicht nur einen finanziellen Mehrwert, sondern trägt auch zu einer ideellen Arbeitnehmerbindung bei.

Heute werden Elektrofahrzeuge in 80 Prozent der Fälle entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen, wobei jedoch nur 10 Prozent der Mitarbeiter am Arbeitsplatz Zugang zu einer Ladestation haben. Indem der Arbeitgeber das Aufladen von Elektrofahrzeugen am Arbeitsplatz ermöglicht, zeigt er, dass er die sich verändernden Mitarbeiterbedürfnisse anerkennt und auf sie reagiert. Ein guter Arbeitgeber kann auf diese Weise auf der einen Seite qualifizierte Mitarbeiter für sich gewinnen und auf der anderen Seite die Arbeitgeberbindung und das Engagement bestehender Mitarbeiter erhöhen.

Einer US-Studie mit Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern zufolge ist es für drei Viertel der dort beschäftigten Millennials und für die Hälfte aller Mitarbeiter ein persönliches Anliegen, für ein umweltbewusstes Unternehmen zu arbeiten. Tatsächlich wählten laut der Studie fast 40 Prozent der jüngeren Arbeitnehmer ihr aktuelles Unternehmen aufgrund seiner Umweltziele aus, während 30 Prozent angaben, einen Arbeitgeber verlassen zu haben, weil es keinen Nachhaltigkeitsplan gab.

Es sind jedoch nicht nur Mitarbeiter, die die Vorteile des Umstiegs auf ein Elektrofahrzeug erkennen. Laut einer United Nations Global Compact–Accenture Strategy CEO-Studie zur Nachhaltigkeit befanden 99 Prozent der CEOs großer Unternehmen, dass Nachhaltigkeitsthemen für den zukünftigen Erfolg ihrer Unternehmen wichtig sind. „Die Technologie kann den Fortschritt beschleunigen und Unternehmen gleichzeitig helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern“, meint Jessica Long, Managing Director of Strategy and Sustainability bei Accenture. Das Bereitstellen von Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz ist demnach nicht nur eine konkrete Zusatzleistung, von der Mitarbeiter täglich profitieren, sondern zudem ein klares Zeichen für die Innovationskraft und Vision eines Unternehmens. Der Arbeitgeber zeigt, dass er Nachhaltigkeit und Umweltschutz als wichtigen Antrieb für den Wettbewerb der Zukunft ansieht.

Günstig und nachhaltig

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Arbeitgeber die Zufriedenheit der bestehenden Belegschaft fördern und neue qualifizierte Mitarbeiter auf sich aufmerksam machen kann. Das kann eine gute Kantine, zusätzliche Sozialleistungen oder auch das Bereitstellen von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sein.

Die Möglichkeit das eigene Elektrofahrzeug am Arbeitsplatz aufzuladen, bietet den Mitarbeitern einen wesentlichen Mehrwert. Durch vernetzte Ladestationen kann beispielsweise die Wirksamkeit der Ladevorgänge unmittelbar verfolgt und geplant werden. Werden zudem Subventionen, Energiemanagementsoftware und Abonnementpreise miteinberechnet, können die tatsächlichen Kosten der Infrastruktur für den Arbeitgeber sogar ein ähnliches Niveau erreichen wie bedeutend günstigere Nebenleistungen.

Denn erneuerbare Energien wie Sonnen- und Windenergie sind bereits heute weltweit günstiger zu produzieren als Strom aus fossilen Brennstoffen. Der neueste PKW-Kostenindex der markenneutralen Lease-Gesellschaft LeasePlan zeigt, dass die Gesamtbetriebskosten von Elektrofahrzeugen in etlichen europäischen Ländern auf dem gleichen Niveau liegen wie die entsprechenden Kosten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung auf dem Gesamtmarkt angekommen ist. Vorausschauend handelt ein Arbeitgeber demnach, wenn er hier bereits investiert. Dies verschafft ihm auf dem Markt einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb und wird ihn langfristig davon profitieren lassen.

Klarer Wettbewerbsvorteil gegeben

Viele der Unternehmen, die sich frühzeitig für eine Ladeinfrastruktur entscheiden, genießen demnach wirtschaftliche Vorteile. Das Beispiel eines Shoppingzentrums mit Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und einem Unterhaltungsangebot, das in Ladestationen für Elektrofahrzeuge investierte, zeigt einen entscheidenden Zuwachs in der Verweildauer der Besucher mit Elektrofahrzeugen. 40 Prozent der Fahrer, die ihr Elektrofahrzeug aufladen, verbringen mehr Zeit im Shoppingzentrum als der Durchschnitt. Diese Entwicklung lässt das hohe Potenzial erkennen, das hier für den Einzelhandel sowie den Unterhaltungsbereich besteht. Aufgrund des erheblichen Einflusses auf die Verweildauer und die Kaufkraft von Kunden bieten mehr und mehr Unternehmen nun sogar die Möglichkeit, kostenlos oder zum Sonderpreis aufzuladen.

Mit einer Ladestation kann das jeweilige Unternehmen auf sich aufmerksam machen – auch auf der Landkarte. Fahrer von Elektrofahrzeugen verlassen sich auf ihre Apps, um Ladestationen schnell zu finden. Wenn ein Ladevorgang zusammen mit den alltäglichen Aufgaben, wie beispielsweise dem Gang in den Supermarkt oder in das Fitness-Studio erledigt werden kann, so bedeutet das für ein Unternehmen mit Ladeinfrastruktur einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil. Fahrer von Elektrofahrzeugen ziehen mit großer Wahrscheinlichkeit den Standort mit Ladestation einem Standort ohne vor.

Noch ist das Potenzial der Ladeinfrastruktur ein weitgehend ungenutzter Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die in diesen Trend investieren, gehören bislang zu den Pionieren in diesem Bereich. Das wird sich im Zuge der Revolution der Elektromobilität in den kommenden Jahren jedoch ändern. Mehr Angebot wird auf den Markt drängen und die einstmaligen Pioniere werden Vorreiter mit einem klaren Wettbewerbsvorteil sein.

(André ten Bloemendal, VP Commercial Sales Europe bei ChargePoint)