Den weltweit ersten, komplett verlustfreien supraleitenden Strombegrenzer für dezentrale Einspeiseanlagen haben die Stadtwerke Augsburg (swa) in Kooperation mit Siemens in Betrieb genommen.
Den Startschuss für die Pilotanlage haben jetzt (15. März 2016) swa-Geschäftsführer Dr. Walter Casazza und Siemens-Technologiefeldleiter Prof. Dr. Rolf Hellinger zusammen mit dem Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl gegeben. Dabei wird mit der neuen Technologie die Einspeisung aus dem BHKW-Motoren-Prüfstand des Augsburger MTU-Werks in das Stromnetz der swa Netze GmbH abgesichert. Das Pilotprojekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie im Rahmen des Programms „BayINVENT – Innovative Energietechnologien und Energieeffizienz“ gefördert.
Eine überdimensionale Sicherung, die nicht durchbrennen kann, ohne Stromverluste arbeitet und selbständig wieder in den Normalbetrieb geht – so etwa lässt sich die Funktionsweise eines supraleitenden Strombegrenzers beschreiben. Neu an der Entwicklung ist, dass er als Supraleiter völlig verlustfrei arbeitet. Beim Betrieb herkömmlicher Strombegrenzer entstehen wegen des Widerstandes der Drosselspulen erhebliche Stromverluste und die Sicherungen müssen nach einem Kurzschluss erneuert werden. Außerdem ist der Betriebs- und Wartungsaufwand deutlich geringer.
Supraleitende Strombegrenzer sind ein Technologiesprung. Sie können in Zeiten der Energiewende mit einer Vielzahl verschiedener Energiequellen, die unregelmäßig in die Netze einspeisen, einen wesentlichen Beitrag zur Netz- und damit Versorgungssicherheit leisten.
„Mit der Kooperation mit der Siemens AG beweisen die Stadtwerke Augsburg einmal mehr, dass sie nicht nur ein zuverlässiges Versorgungsunternehmen vor Ort sind, sondern als Partner von Forschung und Entwicklung die Energie-Zukunft mitgestalten“, erklärt Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl. „In Zeiten der Energiewende sind intelligente und stabile Netze das Rückgrat der Stromversorgung“, so Gribl. „Und in all diesen Zukunftsfeldern sind die Stadtwerke Augsburg als Kooperationspartner in Forschungsprojekten vorn mit dabei.“
„Ziel des Projekts ist die verlustfreie Einspeisung in das Mittelspannungsnetz der Stadtwerke Augsburg aus dem Motoren-Prüfstand von MTU und der Schutz des Netzes im Störfall“, so Dr. Walter Casazza, Geschäftsführer der Stadtwerke Augsburg. „Der supraleitende Strombegrenzer von Siemens arbeitet im Normalbetrieb verlustfrei, reagiert schnell auf Kurzschlüsse und kehrt nach dem Störfall automatisch in den Normalbetrieb zurück“, erklärt der Geschäftsführer der swa Netze GmbH, Dr. Franz Otillinger. „Zudem wird konstruktionsbedingt die Absicherung des Leistungsflusses in beide Richtungen gewährleistet. Durch den geschlossenen Kühlkreislauf entfällt ein Nachfüllen von flüssigem Stickstoff“ ergänzt Peter Kummeth, Projektleiter bei Siemens Corporate Technology.
Die Anlage wird im Feldtest bis 2017 betrieben, um die Funktionalität und Zuverlässigkeit der neuen Technologie unter Praxisbedingungen zu erproben. Im Rahmen eines Kooperationsvertrags zwischen Siemens und den Stadtwerken ist anschließend der Betrieb des Strombegrenzers über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorgesehen, um Betriebserfahrung auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu sammeln.
Die Entwicklung und der Bau des hochtemperatursupraleitenden Strombegrenzers wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, im Rahmen des Programms „BayINVENT – Innovative Energietechnologien und Energieeffizienz“ gefördert. Programmpartner war neben den Stadtwerken Augsburg die Siemens AG.
Supraleitende Kurzschlussstrombegrenzer können in elektrischen Übertragungs- und Verteilnetzen auftretende Kurzschlussströme sehr schnell, effektiv, selbsttätig und damit eigensicher begrenzen. Damit ist auch unter schwierigen Bedingungen ein zuverlässiger Netzbetrieb möglich. Zudem sind sie nach einer kurzen Rückkühlzeit ohne weitere Maßnahmen wieder einsatzbereit.
Ein weiterer Vorteil supraleitender Strombegrenzer liegt darin, dass sie im Normalbetrieb für das Netz „unsichtbar“ sind, weil sie bei den tiefen Temperaturen von minus 196 Grad Celsius, bei denen sie betrieben werden, keinen elektrischen Widerstand aufweisen. Sie beeinflussen damit die Stabilität des Stromnetzes nicht negativ im Unterschied zu den heute üblicherweise verwendeten Drosseln, die einen kontinuierlich hohen Widerstand haben. Im Durchschnitt beträgt der Verlust an elektrischer Leistung pro Drosselspule rund 25 Kilowatt. In der Anlage der swa beträgt die Energieeinsparung entsprechend des Einsatzes der supraleitenden Strombegrenzer rund 36.000 kWh pro Jahr.
Mit supraleitenden Strombegrenzern kann man auch mehrere elektrische Teilnetze verbinden und damit die Betriebssicherheit und Stabilität des Netzes erhöhen. Zudem entfällt der typischerweise notwendige Zusatzaufwand für den Austausch oder die Aufrüstung von elektrischen Komponenten zur Verstärkung der Netze, wenn supraleitende Strombegrenzer für die Verbindung mehrerer Teilnetze oder für die Anbindung dezentraler Energieeinspeiser eingesetzt werden.