Energie: Projekte

Modulare Membrantechnologie erleichtert dezentrale Versorgung mit CNG

Modulare Membrantechnologie
Biogas tanken. ©_Apex

Auch kleine Biogas-Aufbereitungsanlagen können wirtschaftlich sein

Im Zuge des Dieselskandals und der hitzigen Debatte um Abgaswerte und CO2-Normen wird auch eine Technologie zunehmend interessanter, die in den letzten Jahren eher ein Schattendasein führte: der Erdgas-Antrieb. Er produziert deutlich weniger Schadstoffe als andere Verbrennungsmotoren und der genutzte Treibstoff hat – anders als Autogas – tatsächlich grünes Potenzial: Erneuerbares Methangas (CH4) aus Biomasse könnte fossile Energieträger sukzessive ersetzen.  Eine nachhaltige CH4-Produktion ist beispielsweise über die dezentrale Herstellung aus agrarwirtschaftlichen Abfallstoffen, kommunalen Reststoffen oder Klärgasen umsetzbar. Bislang war das nur eingeschränkt möglich, da es kein Verfahren gab, mit dem auch kleine Biogas-Aufbereitungsanlagen kosteneffizient betrieben werden konnten. Eine neue Membrantechnologie könnte dies jedoch grundlegend ändern: Der Schweizer Anlagenbauer Apex AG nutzt für seine Systeme die modulare SEPURAN Green-Technologie von Evonik, deren Effizienz von der Anlagengröße unabhängig ist. In der Abwasserreinigungsanlage Schönenwerd, die aus rund 20 Nm³/h Rohgas 12 Nm³/h Biomethan erzeugt, ist diese Lösung bereits seit 2016 erfolgreich im Einsatz.

An der Erdgas-Technologie scheiden sich gerade die Geister: Während sich Daimler nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Juli letzten Jahres im PKW-Segment aus dem Markt verabschiedet, hat der VW-Konzern den Treibstoff nach der Dieselaffäre wieder für sich entdeckt. „Ich halte die Prognose des Aktionsbündnisses Erdgas-Mobilität für realistisch, dass sich die CNG-Flotte in Deutschland bis 2025 auf eine Million Fahrzeuge verzehnfachen wird“, äußert sich beispielsweise Frank Jürgens, Geschäftsführer von Skoda Deutschland, auf der IAA im September 2017. Tatsächlich hat die Technologie großes Potenzial: Erdgas-Antriebe emittieren beispielsweise kaum Stickoxide oder Feinstaub und produzieren bis zu 25 % weniger CO2 als Benziner. Damit schneiden die CNG-Mobile selbst gegenüber Elektroautos gut ab, denn diese sind nur so umweltfreundlich wie der zu ihrem Antrieb genutzte Strom, der derzeit zu großen Teilen aus Kohle gewonnen wird. Und im Gegensatz zum alternativen flüssigen LPG – dieses besteht aus Propan und Butan, Nebenprodukten der Erdölförderung und -raffinierung – handelt es sich bei CNG um Methan, das völlig klimaneutral aus Biomasse gewonnen werden kann.

Neue Membrantechnologie schränkt Wirtschaftlichkeit dezentraler CH4-Produktion nicht mehr ein

Die Voraussetzungen für eine Versorgung mit Biomethan sind im DACH-Bereich verhältnismäßig günstig: Allein in Deutschland gibt es 9.000 Biogasanlagen, von denen 99 % derzeit noch ausschließlich Strom und Wärme produzieren. „Vor allem im Sommer kann die Abwärme meist nur ungenügend genutzt werden. Hinzu kommt, dass elektrischer Strom – außer in Pumpspeicherkraftwerken – nicht speicherbar ist“, so Apex-Geschäftsführer Ueli Oester. „Die Biogas-Aufbereitung kann diese Nachteile weitgehend aufheben, da Biomethan sowohl direkt zur Betankung genutzt, als auch ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Gleichzeitig entsteht bei der Produktion nur wenig Abwärme.“

Zudem gibt es derzeit noch viele ungenutzte Biogasquellen, die erschlossen werden könnten: Nicht nur zum Teil eigens für Biogasanlagen angebaute Substrate wie Mais, auch agrarwirtschaftliche Abfallstoffe und Klärgase sind geeignet. Sie fallen häufig dezentral und in vergleichsweise kleinen Mengen an. „In der Schweiz beispielsweise gibt es viele kleine Klärwerke mit relativ geringen Klärgasmengen, an deren Aufbereitung die schweizerischen Erdgas-Versorgungsunternehmen sehr interessiert sind“, so Oester. Das gesamte Potential alleine bei den Eidgenossen liegt bei ein paar hundert Anlagen für die Aufbereitung von Klärgas aus Abwasserreinigungsanlagen und für landwirtschaftliches Biogas.

Doch es gab lange ein Problem: Alle herkömmlichen Technologien für die kommerzielle Aufbereitung von Rohgas (ein Gemisch mit den Hauptkomponenten CH4 und CO2) zu Biomethan eignen sich eher für große Anlagen. „Gängige Abtrennungsmethoden wie Druckwasserwäsche, Druckwechseladsorption oder Aminwäsche benötigen relativ viel Energie, Hilfsmittel und -chemikalien“, erläutert Volker Wehber, Director SEPURAN Green bei Evonik. „Es werden Abfälle und Abwasser erzeugt, die aufbereitet und entsorgt werden müssen.“

Zudem steht das Biomethan nach der Aufbereitung meist unter geringem Druck. Für die Einspeisung beispielsweise in ein Mitteldrucknetz muss es mithilfe eines zusätzlichen Kompressors auf Drücke von 15 bis 20 bar verdichtet werden. Daher arbeiten konventionelle Aufbereitungsanlagen meist erst ab einer Rohbiogasmenge von deutlich über 500 Nm³/h wirtschaftlich. Das bedeutet: Für eine dezentrale Energieversorgung mit zahlreichen kleineren Anlagen sind sie in der Regel ungeeignet.

Hochselektive Membranen für unterschiedlichste Rohgasmengen

„Seit 2012 arbeiten wir mit SEPURAN-Green-Membranen von Evonik. Im Gegensatz zu den üblichen Aufbereitungsverfahren eignen sich diese sehr gut für Anwendungen mit relativ kleinen Biogasmengen von < 100 Nm³/h, für die wir unsere Anlagen konzipieren“, so Oester. Die Technologie ist von der Anlagengröße unabhängig, da sie modular ist: „Die einzelnen Membranmodule bestehen aus Bündeln von Hohlfasern aus einem druck- und temperaturbeständigen Hochleistungskunststoff, die mit dem Rohgasgemisch unter Druck beaufschlagt werden. Sie arbeiten nach dem Prinzip der selektiven Permeation durch die Membranoberfläche“, erläutert Wehber. „CO2-Moleküle wandern schneller durch die Poren der Hohlfaserwand als CH4-Moleküle, die eher in der Hohlfaser verbleiben und so abgetrennt werden können.“ Die Gas-Separations-Membranen von Evonik weisen eine hohe CO2/CH4-Selektivität von über 50 auf, mit der sich das Methan aus dem Rohgas auf bis zu 99 % aufreinigen lässt.

Je nach Anwendung und Anlagengröße können verschiedene Modulgrößen gewählt sowie beliebig viele Membransysteme miteinander verschaltet werden. „Die derzeit durchsatzstärkste Anlage mit SEPURAN Green hat ein Volumen von 6.250 Nm³/h Biogas. Mit kleinen Faserbündeln können jedoch genauso auch Kleinstmengen an Gas aufbereitet werden“, so Wehber. Insgesamt zeigt das System von Evonik einen sehr geringen Energiebedarf und niedrige Wartungskosten. Zudem entstehen bei der Aufbereitung weder Abfälle noch Emissionen. Es werden auch keine Hilfsmittel wie Wasser oder Sorptionsmittel benötigt. All diese Vorteile schlagen sich direkt in Form von Kostenvorteilen nieder. „Die Membrantechnologie kann außerdem leicht an sich ändernde Volumenströme und Gaszusammensetzungen angepasst werden“, erklärt Wehber.

Abwasserreinigungsanlage Schönenwerd mit Membrantechnologie. ©_Apex

BlueBONSAI-Anlage in Schönenwerd mit dreistufiger Aufbereitung

Diese Membrantechnologie bewährt sich seit Juni 2016 in der Abwasserreinigungsanlage Schönenwerd bei Aarau. Dort ist eine BlueBONSAI-Anlage der Apex AG verbaut, die aus rund 20 Nm³/h Rohgas 12 Nm³/h Biomethan erzeugt und auf den notwendigen Speicherdruck von 300 bar für die Fahrzeugbetankung verdichtet. „Die Schlüsselkomponenten der Aufbereitungsanlage sind in einem zweigeteilten Container untergebracht“, so Oester. „Der größere Raum, der die Anforderungen der Ex-Zone 2 erfüllt, beherbergt die Gastechnik, das heißt Vorkonditionierung des Klärgases, Aktivkohlefilter, Membranaufbereitungsmodul, Gasverdichtung, Sensorik, Gasmengenmessung und Betankungspanel. Im kleineren Bereich befinden sich Steuerung und Kaltwassersatz.“ Der im Freien stehende 40 × 80 l fassende Hochdruckspeicher der Tankstelle und der Füllschlauch samt -kupplung für die Fahrzeugbetankung, die sich außen an der Containerwand befinden, komplettieren das System. Die Aufbereitung erfolgt automatisch und bedarfsgesteuert: Sinkt der Druck im Speicher durch die Betankung von Fahrzeugen unter einen bestimmten Schwellenwert, wird die Anlage gestartet und bleibt in Betrieb, bis der Speicher wieder gefüllt ist.

Funktionsweise der Sepuran Green Membrankartusche. ©_Evonik

Der Methangehalt des Rohgases in Schönenwerd liegt bei circa 60 %, hinzu kommen Kohlendioxid, Wasserdampf und weitere Begleitstoffe. „Nach der Entfeuchtung, dem Abtrennen der Begleitstoffe und der Vorkonditionierung wird das Rohgas auf den Betriebsdruck der Membranen verdichtet, in denen der Trennungsprozess stattfindet“, erläutert Oester  die neue Membrantechnologie. Dies geschieht nach einem dreistufigen, von Evonik patentierten Verfahren, bei dem das Biogas immer mindestens zwei Membranstufen durchläuft: Das Gas tritt in die erste Membranstufe ein, und nach der Gasseparation geht das Retentat, das nun deutlich weniger CO2-Moleküle enthält, in die zweite Stufe ein. Bei deren Retentat handelt es sich bereits um das fertige Produkt – Biomethan in Treibstoffqualität. Im Anschluss wird das Permeat der ersten Stufe, das hoch CO2-lastig ist, in einer dritten Stufe erneut gereinigt, so dass die darin verbliebenen CH4-Moleküle abgefangen werden. Dadurch ist der Methanschlupf bei diesem Verfahren besonders gering – er liegt deutlich unter 1 Volumenprozent. Abschließend wird das Biomethan auf den Speicherdruck verdichtet und für die Fahrzeugbetankung vorgehalten.

Energieverbräuche gezielt steuerbar

Der Stromverbrauch für die Aufbereitung mit diesem Verfahren beläuft sich in Schönenwerd auf circa 0,3 kWh/Nm³ Rohgas oder 0,5 kWh/Nm³ Biomethan. Hinzu kommt der Strombedarf für die Verdichtung des Biomethans, so dass der Wert insgesamt bei 0,6 kWh/Nm³ Rohgas beziehungsweise 1 kWh/Nm³ Biomethan liegt. Der Verbrauch für die Aufbereitung hängt dabei wesentlich von der individuellen Konzeption der Gesamtanlage ab: „Je höher der Druck im System ist, desto mehr Kompressorleistung wird benötigt“, so Wehber. „Eine Anlage kann so designt werden, dass sie auf einen höheren Druck und weniger Membranfläche ausgelegt ist. Sollen niedrige Drücke gefahren, also Kompressorleistung und damit Stromkosten eingespart werden, muss dagegen in mehr Membranfläche investiert werden.“ Eine eigens entwickelte Simulationssoftware hilft dabei, das Optimum zu finden: Hier können Szenarien mit unterschiedlichen Druckstufen, Membrananzahlen, Produktreinheiten und Ausbeuten durchgespielt werden. „Diese Software ist sehr hilfreich bei der Auslegung der Anlagen“, erklärt Oester. „Wir nutzen sie für die Simulation verschiedener Parameter sowie die Findung der optimalen Betriebsbedingungen.“ Letztere werden anschließend im Betrieb überprüft und nachjustiert.

„Mit der Membrantechnologie könnte letztlich jede existierende Biogas- oder Kläranlage mit einer Aufbereitungsanlage inklusive Tankstelle verbunden werden und somit die CNG-Tankstelleninfrastruktur relativ einfach innerhalb weniger Jahre flächendeckend erweitert werden – auch in Gebiete ohne Erdgasnetz“, resümiert Wehber. „Dieses Potenzial für eine dezentrale Energieversorgung bietet derzeit keine andere Technologie.“

Weitere Informationen zur Membrantechnologie unter www.apex.eu.com und www.corporate.evonik.com