Transforming Cities

Nachhaltiger Wandel durch vertrauensvolle Zusammenarbeit

Fischschwarm
Das partnerschaftliche Zusammenwirken in einem Netzwerk bringt soziale und wirtschaftliche Vorteile.

Wie Kooperation durch Netzwerk-Dynamik bestimmt wird

Vom Erdsystem bis zum menschlichen Gehirn, von Familienverbünden bis zu Facebook – komplexe Netzwerke finden sich überall in unserem Alltag. Die Analyse sozio-ökonomischer Netzwerke ermöglicht deshalb, das Verständnis von Interaktionen und Veränderungen in unserer Gesellschaft zu verbessern. Ein Wissenschaftlerteam hat sich diesen Ansatz jetzt zunutze gemacht, um die Entstehung der Zusammenarbeit von Akteuren in einem Netzwerk zu untersuchen, wenn diese Kooperation wirtschaftliche oder soziale Vorteile verspricht. Erstmals haben sie sich dabei auf Wechselwirkungen mit sozialen Beziehungen konzentriert. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal Scientific Reports aus der renommierten Nature-Gruppe veröffentlicht und zeigen, dass vollständige Kooperation am ehesten erreicht wird, wenn das Netzwerk sich langsam an neue Koalitionsstrukturen anpassen kann. Reagiert das Netzwerk schneller, so verhindert eine Fragmentierung die Bildung umfassender Zusammenarbeit.

„Kooperation ist unerlässlich, wenn es um eine unbeschränkt gemeinsam genutzte Ressource geht“, sagt Leitautorin Sabine Auer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Von der Atmosphäre bis hin zu erneuerbaren Energiequellen – der menschengemachte Klimawandel und die notwendige Wende zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft als eine der größten ökonomischen Herausforderungen sind Beispiele für Veränderungsprozesse, bei denen es um solche Ressourcen geht. „Man kann sich auch eine Weide vorstellen, die von mehreren Bauern genutzt wird. Eine Übereinkunft über die nachhaltige Nutzung der gemeinsamen Wiese wäre für die Gruppe langfristig zwar am profitabelsten, weil Überweidung allen schadet – eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gruppe wäre also die beste Option. Würden sich jedoch schnell einzelne Bauern zusammentun, bevor sich in der gesamten Gruppe eine Vertrauensbasis bildet, werden andere Bauern ausgegrenzt. Soziale Bindung geht verloren, und das verhindert zukünftige Zusammenarbeit“, erklärt Auer.

Aus Konkurrenten können Partner werden

Obwohl zwischen Netzwerkstrukturen und ihrem Einfluss auf das Verhalten innerhalb der Gruppe und umgekehrt dem Einfluss des Verhaltens der Gruppe auf das Netzwerk ganz klar eine Wechselwirkung besteht, wurden die sozialen Beziehungen bislang in Modellen von Koalitionsbildung noch nicht berücksichtigt. „Zum ersten Mal haben wir jetzt die Rolle von Vertrauen und sozialer Beziehung für die Zusammenarbeit mehrerer potenzieller Partner untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine vollständige Kooperation am wahrscheinlichsten ist, wenn sich das Netzwerk nur langsam an die Koalitionsstrukturen anpasst“, sagt Auer. „Die relative Geschwindigkeit dieser Veränderungen und Wechselwirkungen scheinen für die Zusammenarbeit entscheidend zu sein.“

„Unser neuer methodischer Ansatz kann auf Situationen in Wirtschaft und Gesellschaft angewandt werden, in denen Kooperation ökonomische oder soziale Vorteile verspricht. Das ist ein wichtiger Fortschritt, um die Mechanismen der Zusammenarbeit künftig besser zu verstehen“, sagt Ko-Autor Jobst Heitzig. Das dürfte nützlich sein für Studien über so verschiedene Dinge wie die Größenverteilung von Firmen, Fisch-Kohorten, bis hin zu politischen Parteien. „Eine klare Botschaft des Modells ist, dass es sich lohnt, auch zu Konkurrenten eine Beziehung zu erhalten, damit sie später einmal Partner werden können.“

Statistische Physik hilft bei der Erforschung gesellschaftlicher Prozesse

„Die statistische Physik gibt uns machtvolle Instrumente an die Hand zur konzeptuellen Erforschung der Mechanismen von Wirtschaft und Gesellschaft, sowie damit verbundene Umwälzungen – etwa die Neugestaltung von Märkten, soziale Unruhen oder sogar Revolutionen“, sagt Ko-Autor Jürgen Kurths, Leiter des Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte & Methoden am Potsdam-Institut. Die Studie wurde im Rahmen des PIK-Projekts „Copan – koevolutionäre Entwicklungspfade“ erstellt, das darauf abzielt, neue konzeptionelle Modelle zu entwickeln, die die Wechselwirkung zwischen Natur und Mensch als Teile des Erdsystems abbilden. „Aufbau und Zusammenbruch von Koalitionen und daraus entstehender Wandel gehört zu den großen Herausforderungen in der Modellierung, die unsere Studie auf eine neue Ebene der Komplexität bringt“, so Kurths.

Weblink zum Artikel:
The Dynamics of Coalition Formation on Complex Networks