Der öffentliche Nahverkehr spielt eine zentrale Rolle in den Mobilitätskonzepten der Zukunft. Um die steigenden Mobilitätsbedürfnisse ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt zu befriedigen, müssen noch mehr Menschen motiviert werden, den ÖPNV zu nutzen. Die Stadtwerke Oberhausen AG (STOAG) nimmt nun am 4. Oktober den Betrieb der beiden innerstädtischen Linien 962 und 966 mit zwei Elektrobussen auf. Dann werden die 15,6 und 13,3 Kilometer langen Strecken komplett von Diesel- auf Elektrobetrieb umgestellt.
Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und STOAG hatten im vergangenen Jahr ein Projekt gestartet, bei dem die vorhandene Gleichspannungs-Infrastruktur der Straßenbahn genutzt wird, um im laufenden Betrieb Batteriebusse zu laden. Die Ladeenergie wird einerseits aus der Fahrleitung und andererseits aus einem Unterwerk, in dem die zum Betrieb der Straßenbahn benötigte Gleichspannung in Höhe von 750 Volt erzeugt wird, entnommen. Die Ladeenergieentnahme erfolgt bei der Linie 962 aus der Fahrleitung am Pausenplatz am Bahnhof Sterkrade, bei der Linie 966 aus dem Unterwerk Neumarkt. Die Ladevorgänge finden während der Wendezeiten statt und dauern maximal zehn Minuten. Eine Ladung während der nächtlichen Standzeit auf dem Betriebshof ist nicht erforderlich.
Die Energieübertragung erfolgt konduktiv mittels eines hochklappbaren Pantographen, der sich auf dem Dach der Busse befindet. Durch die regelmäßige Nachladung während der Wendezeiten können die Traktionsbatterien in den Bussen verhältnismäßig klein und damit gewicht- und kostensparend dimensioniert werden. Dennoch ist die Kapazität so ausgelegt, dass bei unvorhergesehenen Ereignissen bis zu drei Ladezyklen ausgelassen werden können. Auch alle Nebenverbraucher wie Klima- und Heizungsanlage werden über elektrische Energie, gespeist. Das Speichervermögen der Batterien mit Zellen vom Hersteller A 123 beträgt 200 kWh. Für die Ladegeräte ist die Firma EKO Energetyka verantwortlich, die Firma Schunk hat die Stromabnehmer geliefert, die Infrastruktur wurde von der Firma Siemens realisiert. Die Busse vom Typ Urbino 12 electric kommen von der Firma Solaris. Mit Niederflurtechnik und Klimaanlagen entsprechen sie dem bei der STOAG üblichen Standard. Der Antrieb erfolgt über eine ZF-Achse AVE 130 mit zwei radnahen Asynchronmotoren.
Schnellladung auch für Pkw
Die vorhandene Straßenbahninfrastruktur eignet sich auch zur Schnellladung von Fahrzeugen anderer Verkehrsträger. Die Energieversorgung Oberhausen AG möchte dieses durch die Errichtung von drei Schnellladesäulen für Pkw, die ebenfalls aus der Fahrleitung der Straßenbahn gespeist werden, demonstrieren und zeigen, dass in Städten mit vorhandenen Gleichspannungs-Infrastrukturen die für die zügige Einführung der Elektrofahrzeuge unverzichtbaren Schnelllademöglichkeiten mit relativ geringem Aufwand realisiert werden können. Die Schnellladesäulen für Elektroautos gehen im November 2015 in Betrieb. „Mit diesen insgesamt drei Projekten in Oberhausen wird die hohe Relevanz vorhandener Gleichspannungs-Infrastrukturen des ÖPNV zur kostengünstigen Realisierung dringend benötigter Schnelllademöglichkeiten für Elektrobusse im Linienverkehr und Batteriefahrzeuge anderer Verkehrsträger verdeutlicht“, resümiert Professor Dr.-Ing. Adolf Müller-Hellmann von der RWTH Aachen, der das ganze Projekt betreut.
Elektrobusse als klimaverträgliche Alternative
Der städtische Busverkehr wird zurzeit bundesweit größtenteils von Dieselfahrzeugen bestimmt: abhängig von fossilen Energieträgern und mit Stickoxid-, Feinstaub- und Lärmemissionen in Ballungsräumen oft in der Kritik. Busse mit einem emissionsfreien Elektroantrieb stellen eine umweltfreundliche Alternative dar. Verschiedene Verkehrsunternehmen sammeln derzeit Erfahrungen mit elektrischen Busantrieben, unterschiedlichen E-Bussystemen und Ladesystemen. Der Fahrzeugbatterie kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Sie dient einerseits als Energiespeicher zur Bereitstellung der Antriebsenergie, ist andererseits aber in der Lage, die beim Bremsen anfallende kinetische Energie teilweise wieder aufzunehmen und für den nachfolgenden Beschleunigungsvorgang zur Verfügung zu stellen.
Mit Kosten in Höhe von rund 500.000 Euro für einen Elektrobus ist dieser heute noch mehr als doppelt so teuer wie ein Standardbus. Die Energieeffizienz von Elektrobussen ist allerdings deutlich höher als die von Dieselbussen, der Instandhaltungsaufwand durch fehlende Verbrennungsvorgänge mit hohen Temperaturen und insgesamt weniger Verschleißteile voraussichtlich deutlich geringer. „Durch die Nutzung unserer vorhandenen Straßenbahninfrastruktur entstehen keine aufwändigen Kosten für das Ladesystem“, so STOAG-Geschäftsführer Werner Overkamp. „Das Hochleistungsladegerät zur Regelung des Ladestroms der Batterien ist im Unterwerk platziert, sodass kein weiteres Gebäude zur Unterbringung der Komponenten zur Schnellladung der Batterien errichtet werden muss.“
EU-Projekt ELIPTIC: Erkenntnisse für kommunale Geschäftsmodelle
Dennoch sind Projekte wie das in Oberhausen nicht von den Verkehrsunternehmen alleine zu stemmen. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr hat daher dieses Engagement der STOAG von Beginn an begleitet und unterstützt. „Um mitzuhelfen, energieeffiziente, alternative Antriebssysteme alltags- und linientauglich zu machen, fördert der VRR dieses Projekt als Demonstrationsvorhaben“, erläutert VRR-Vorstandssprecher Martin Husmann. Zudem ist die STOAG mit dem Oberhausener Modellprojekt Partner im EU-Projekt ELIPTIC („Electrification of public transport in cities“). Es soll die Möglichkeiten der Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs in Kombination mit der vorhandenen Verkehrs- und Energieinfrastruktur weiter erforschen, um daraus Geschäftsmodelle für Städte, Kommunen, aber auch für Verkehrsunternehmen zu entwickeln. Die STOAG bringt insbesondere die Erkenntnisse aus ihrem E-Mobilitätsprojekt mit in das ELIPTIC-Projekt ein und erarbeitet mit Unterstützung des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe der RWTH Aachen ein Erweiterungskonzept für die Elektromobilität in Oberhausen.
Weitere Informationen:
www.evo-energie.de