Mobilität: Projekte

Es spricht nichts mehr gegen Elektrobusse im ÖPNV

MENDEL
Luftbild Elektrobus. © IKT EM/ Convento GmbH

Projekt MENDEL aus dem Technologieprogramm IKT für Elektromobilität: „Minimale Belastung Elektrischer Netze Durch Ladevorgänge von Elektrobussen“

Busse sind im öffentlichen Nahverkehr nicht mehr wegzudenken. So unternahmen nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Jahr 2018 die Buspassagiere im öffentlichen Nahverkehr Deutschlands (VDV-Betriebe) 4,5 Milliarden Fahrten und legten dabei 28,1 Milliarden Personenkilometer zurück. Von den mehr als 35.000 Bussen wurden 2018 lediglich 140 Busse elektrisch angetrieben, weitere 90 sind bestellt. Würde es gelingen, die meist noch dieselbetriebenen Fahrzeuge mit regenerativen Energien anzutreiben, so könnte eine Menge CO2 eingespart werden. Doch so beliebt und erfolgreich die Busse im öffentlichen Nahverkehr auch sind – beim Wechsel auf einen elektromobilen Antrieb des kommunalen Busfuhrparks stockt es allenthalben. Zwar offerieren ausländische Hersteller eine ganze Palette einsetzbarer Elektrobusse – deutsche Bushersteller jedoch zögern noch mit nennenswerten Angeboten. Sehr viel besser sieht es mit den technischen Einsatzmöglichkeiten von Elektrobussen im öffentlichen Nahverkehr aus. Das hat nun das Projekt MENDEL aus dem Technologieprogramm IKT für Elektromobilität des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) gezeigt. Software aus diesem Programm ist bereits jetzt im Praxis-Einsatz.

Aufgelöst bedeutet MENDEL: „Minimale Belastung Elektrischer Netze Durch Ladevorgänge von Elektrobussen“. Im Projekt ging es darum, wie sich Kosten beim Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur und der Stromverbrauch von Bussen einsparen lassen. Zusammen mit insgesamt sechs Konsortialpartnern aus Forschungseinrichtungen und Wirtschaft haben die MENDEL-Experten ab Januar 2016 den optimalen Betrieb von Elektrobussen theoretisch konzipiert und IT-Programme dazu entwickelt. Das entstandene Konzept haben die Projektteilnehmer vor Projektschluss im Juli 2019 auf dem Testfeld „AIM“ des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit der Braunschweiger Verkehrs GmbH im Stadtgebiet erfolgreich getestet.

Zwei Ladestationen pro Buslinie reichen vollkommen aus

Im Teilprojekt „Smart Grid“ haben die Projektpartner Software-Lösungen zur intelligenten Planung und Steuerung der Stromversorgung von Elektrobussen erarbeitet. Dazu entwickelten sie ein Programm, das aus den Infrastrukturdaten des Stromnetzbetreibers und Fahrplandaten die optimale Ladeinfrastruktur für das Zwischenladen in einem Busliniennetz ermittelt. Auf Basis dieser Daten optimiert eine weitere Software die Umläufe der Elektrobusse und die zeitliche Verteilung der Ladevorgänge. Dabei lässt sich die Ladedauer je nach Situation anpassen: Liegt beispielsweise ein kritischer Ladezustand im Elektrobus vor, so verlängert sich der Ladevorgang an der Haltestelle automatisch. Ist der Ladezustand der Elektrobus-Batterie dagegen hoch, so verringert sich der Aufenthalt an der Ladestation. So sinkt natürlich auch die Belastung im elektrischen Verteilnetz.

Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt MENDEL ist, dass mehrere Ladestationen für E-Busse entlang einer Route nicht notwendig sind. „Eine Ladestation im Depot und eine weitere Ladestelle an der Endstation reichen – bei entsprechenden Wendezeiten – vollkommen aus“, sagt Dirk Weißer, Projektkoordinator von MENDEL. Während die Busse im Depot nach Dienstschluss voll aufgeladen werden, genügt an der Endhaltestelle eine teilweise Ladung, die ein schnellladender Pantograph in etwa sechs Minuten bewerkstelligen kann. Elektrobusse im Stadtverkehr bräuchten daher keine großen und schweren Batterien, da das Lademanagement nun die erforderlichen Reichweiten exakt erfassen kann, so Weißer.

Aus der Forschung in die Praxis: MENDEL-Software bereits im Einsatz

Das Teilprojekt „ITS“ von MENDEL hatte zum Ziel, die variablen Betriebskosten zu senken. So sind etwa die Anfahrvorgänge bei Elektrobussen besonders energieintensiv. Gelingt es, diese zu reduzieren, so das Kalkül der Forscher, könnte viel Energie im Busbetrieb eingespart werden. Dazu entwickelte das MENDEL-Team eine zentrale Priorisierung des öffentlichen Verkehrs, die Ladezustände und geplante Ladezeiten der Elektrobusse berücksichtigt. Voraussetzung dabei ist die Integration des kommunalen Verkehrsmanagementsystems CCALL, das die Ampelschaltung in Echtzeit beeinflussen kann. Ist ein Elektrobus in diesem System angemeldet, so erhält er je nach Ladezustand, Verspätung und weiteren Kennzahlen eine für dieses Fahrzeug optimale Ampelschaltung. Auch Verkehrsunternehmen aus der Region können die Priorisierung des öffentlichen Nahverkehrs in einer Stadt mit Vorrangschaltung nutzen, wenn sie sich mit einer Smartphone-App ins System einloggen.

„Insgesamt“, so MENDEL-Projektkoordinator Dirk Weißer von der Karlsruher INIT GmbH, „spricht aus technischer und aus IT-Sicht kein Grund gegen die Einführung von Elektrobussen in den öffentlichen Nahverkehr. Klar ist, dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist.“ Für wichtig hält er es, sogenannte „kooperative Systeme“ wie etwa Systeme zur zentralen Verkehrsbeeinflussung in den Kommunen einzuführen, denn nur sie können für die wichtige Kommunikation zwischen aktueller Verkehrssituation und den Elektrobussen in Echtzeit sorgen. Optimierungspotenzial gebe es zudem noch bei der betrieblichen und organisatorischen Planung von Elektrofahrzeugen bei den kommunalen Verkehrsträgern. Wenn Kommunen Elektromobilität im öffentlichen Nahverkehr einführen wollten, so Weißer, dann müsse an erster Stelle ein planvolles und koordiniertes Vorgehen der Städte zusammen mit Verkehrsanbietern und Energieversorgern stehen.

Nach dem offiziellen Abschluss von MENDEL zeigen sich bereits Anwendungen von jedem der Konsortialpartner, die es von der Forschung in die Praxis geschafft haben. So setzen aktuell etwa ein Bushersteller und zwei Verkehrsunternehmen Software aus dem MENDEL-Programm ein.

Weitere Informationen zu „IKT für Elektromobilität“: www.digitale-technologien.de