Transforming Cities

Städte im dynamischen Wettbewerb

Städte brauchen Wettbewerbsvorteile
Die weichen sind schon lange die harten Standortfaktoren geworden. © pixabay

Weiche Faktoren und Mut zum Wandel werden immer wichtiger

Bericht zur Konferenz „European Cities in Dynamic Competition: Urban Governance, Cooperation, Competitiveness and Sustainability“ des Center for Advanced Studies in Management der HHL Leipzig Graduate School of Management am 6./7. Juli 2016.

Die Entwicklung der Städte war lange Zeit nicht im Fokus der Betriebswirtschaftslehre, wenngleich Städte in Zeiten der Globalisierung in immer schärferem Wettbewerb um Arbeitskräfte und Unternehmen stehen, begründete HHL-Rektor Prof. Dr. Andreas Pinkwart die Dringlichkeit des von ihm und seinen Kollegen Prof. Dr. Horst Albach, Prof. Dr. Heribert Meffert und Prof. Dr. Ralf Reichwald des Executive Boards von CASiM gewählten Themas der diesjährigen Konferenz. So fehle es an geeigneten Modellen zur besseren Abschätzung und Gestaltung künftiger Entwicklungen von Städten. Genau hier setzte die diesjährige wissenschaftliche Konferenz des CASiM, dem Center for Advanced Studies in Management der HHL Leipzig Graduate School of Management, am 6. und 7. Juli 2016 an, in deren Mittelpunkt die europäische Stadt stand.

Interdisziplinäres Programm

Schon bei der Auswahl der Keynote-Speaker wurde viel Wert auf Interdisziplinarität gelegt, um die historischen, politischen, sozio-technischen und ökologischen Einflüsse auf die Entwicklung der Städte zu berücksichtigen. So sprachen u.a. Frau Dr. h.c. Petra Roth (Oberbürgermeisterin a.D. von Frankfurt am Main und langjährige Präsidentin des Deutschen Städtetages) zu den Herausforderungen und Chancen des Stadt-Managements und der Entscheidungs- und Kontrollstrukturen in der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts, Herr Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) zur Pariser UN-Klimakonferenz COP21 und den Auswirkungen des Klimaabkommens auf die Stadt der Zukunft und Herr Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué (Staatsminister a.D. und Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Otto-von-Guericke Universität Magdeburg) leitete aus Theorien des dynamischen Wettbewerbs Empfehlungen für die Stadtpolitik von morgen ab Eröffnet wurde die Konferenz von einem historischen Rückblick auf die unterschiedlichen Stadtformen und die frühen Formen der bürgerschaftlichen Mitwirkung an der Stadtpolitik durch Frau Prof. Dr. Susanne Rau (Universität Erfurt).

Grundlegende Gedanken zum Beitrag der Betriebswirtschaftslehre für die erfolgreiche Stadtenwicklung wurden von Prof. Dr. Horst Albach, einem der Nestoren der deutschen Betriebswirtschaftslehre, entwickelt, der sich angesichts des globalen Wettbewerbsdrucks für eine fokussierte Profilierung der Städte sowie ihre unternehmerische Führung durch einen von ihm so bezeichneten „Schumpeter Oberbürgermeister“ aussprach. Seine Überlegungen wurden in weiteren Beiträgen von Herrn Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß (Technische Universität Berlin) zum Strategischen Management von Städten, Herrn Prof. Dr. Dennis Hilgers (Johannes-Kepler Universität Linz) zum Stadtmanagement zwischen Innovation und Legitimation, sowie von HHL-Marketing-Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und der Vorsitzenden der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing, Frau Bernadette Spinnen, aus Münster vertieft und weiter implementiert.

Städte im Wettbewerb

„Städte müssen einen wirksamen Wettbewerbsvorteil für sich finden und ihn auch kommunizieren“, so die Vorsitzende der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing, Bernadette Spinnen. Wie genau der gefunden und gelebt werden kann, beschrieb sie am Beispiel der Universitätsstadt Münster. Die europäischen Städte, so fügte die Expertin an, haben verstärkt mit Menschen zu tun, die mitentscheiden möchten. Die Attraktivität von Städten würde in Zukunft daran gemessen, ob die Menschen sich einbringen, ob sie selbst die Stadt mit entwickeln, branden bzw. co-designen können. Für das Standortmarketing sei die Einbeziehung der Menschen in die Kommunikation über eine Stadt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Eine immer größere Bedeutung erhielte auch der Faktor Lebensqualität von Städten. „Die so genannten weichen Standortfaktoren sind schon lange die harten Faktoren geworden“, so Bernadette Spinnen.

Wie betriebswirtschaftliche Methoden sehr konkret dazu beitragen können, Städte leistungsfähiger und zugleich umweltfreundlicher zu organisieren zeigte Prof. Dr. Erwin Pesch von der Universität Siegen in dem von Frau Prof. Dr. Iris Hausladen, Lehrstuhl für IT-based Logistics an der HHL, moderierten Panel am Beispiel von Optimierungsproblemn, wie sie etwa bei Städten mit großen Überseehäfen auftreten. Die von ihm verwendeten Methoden können auch helfen, überflüssige Verkehre zu vermeiden und autonomes Fahren künftig noch effizienter zu organisieren.

Mit den Bürgern ins Gespräch kommen

In ihrem Grußwort verwies Leipzigs Bürgermeisterin und Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bau Dorothee Dubrau auf die Relevanz der 2007 unterzeichneten „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“. In dem Dokument wird die soziale Balance innerhalb und zwischen den Städten, ihre kulturelle Vielfalt sowie eine hohe gestalterische, bauliche und Umweltqualität angemahnt. Mit Blick auf die so genannte „gemischte Stadt“ und hier: Mobilitätsideen für die Messestadt Leipzig, betonte die Politikerin u.a. die Herausforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr und durch die steigende Fahrradnutzung. „Neue Verkehrskonzepte werden eine große Umstellung ergeben“, so prognostizierte Dorothee Dubrau. Entscheidend sei jedoch, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Hierfür habe Leipzig die Koordinierungsstelle „Leipzig weiter denken“ eingerichtet.

An die Verantwortung der Städte, nicht nur im Rahmen eines strategischen „Wachstumsmanagements“ sondern auch in Bezug auf die Werte Freiheit, Solidarität und Toleranz, appellierte die langjährige Präsidentin des Deutschen Städtetages, Dr. Petra Roth. In ihrem Vortrag verwies sie zudem auf die Diskrepanz zwischen den Handlungsspielräumen von Bund und Kommunen. Im Hinblick auf das große Potenzial in den Städten agiere die Bundesebene häufig viel zu langsam. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Städten, so auch Prof. Dr. Horst Albach, Mitbegründer des CASiM und neuer Ehrensenator der HHL, müsse die Balance zwischen Finanzen und Stadtautonomie neu austariert werden. Da in Deutschland die Verantwortlichkeiten auf Stadt, Region, Land sowie Bund verteilt seien, befänden sich die Kommunen in einem zu engen Korsett. „Die Finanzstrukturen müssen geändert werden, um Städte wettbewerbsfähig zu machen“, forderte Prof. Albach.


Die weichen sind schon lange die harten Standortfaktoren geworden.

Bernadette Spinnen, Leiterin des Münster Marketings und Vorsitzende der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (BCSD) spricht über die Attraktivität europäischer Städte, Bürgerbeteiligung sowie Herausforderung für das Standortmarketing.

Wie können Städte im europäischen Wettbewerb besser bestehen?

Bernadette Spinnen: Die Frage, ob eine Stadt gut für die Zukunft gerüstet ist, wird von den Menschen entschieden. Sie entscheiden sich, ob sie in dieser oder jener Stadt arbeiten, ob sie mit ihren Familien dorthin ziehen oder ob sie sich für die Stadt einbringen möchten. Dies alles ist zwar eine Binsenweisheit, wird jedoch immer wichtiger. Das bedeutet, dass eine Stadt zukunftsfähig werden muss, was die Infrastruktur anbelangt. Gemeint sind hier u.a. Bildungschancen vom Kind bis ins hohe Alter und die Mobilität: Wie komme ich von A nach B? Zudem: Wie bin ich vernetzt, auch um von der Stadt weg zu kommen in die große weite Welt? Die Menschen können auswählen, wo sie hingehen und in Folge gehen sie dahin, wo die Infrastruktur stimmt. Eine immer größere Bedeutung erhält auch der Faktor Lebensqualität von Städten. Die so genannten weichen Standortfaktoren sind schon lange die harten Faktoren geworden. Die Frage wird sein: Bin ich eine Stadt, die attraktiv ist für die Menschen, um dort zu leben? Leben bedeutet auch Grünflächen in der Stadt zu haben, Freizeit dort verbringen zu können und eine bestimmte Nähe zu Nachbarschaften entwickeln zu können. Wichtig ist zudem, freie Räume in der Stadt zu haben, die nicht sofort vorgeben, was ich dort zu tun habe.

Ein wichtiger zusätzlicher Punkt: Die europäischen Städte haben es mit Menschen zu tun, die mitentscheiden möchten. Die Attraktivität von Städten wird in Zukunft daran gemessen, ob die Menschen sich einbringen, ob sie selber die Stadt mit entwickeln, branden bzw. co-design können. Für das Standortmarketing ist die Einbeziehung der Menschen in die Kommunikation über eine Stadt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Terroranschläge in Paris, fremdenfeindliche Übergriffe in sächsischen Metropolen – Heutzutage haben wir es mit teilweise unvorhersehbaren Ereignissen zu tun, die auf Städte einwirken. Wie könnte aus Marketingsicht reagiert werden?

Bernadette Spinnen: Die Herausforderungen, denen sich solche Städte gegenüber sehen, haben teilweise mit dem Riss in der Gesellschaft zu tun. Er ist sehr bedrohlich und keinesfalls mit Marketingstrategien zu kitten. Es wird darum gehen, die Problemstellungen mit den Leuten in irgendeiner Form zu besprechen. Es hängt alles davon ab, sie miteinander ins Gespräch zu bringen und als Regierung eine Glaubwürdigkeit zu entwickeln und unter Beweis zu stellen, die die Leute dazu motiviert, nicht auszusteigen. Ob das gelingt, wage ich nicht zu sagen. Das kommt auch darauf an, wie viele Probleme dieser Art wir in Zukunft haben werden. Es gibt nur eine Möglichkeit, damit wirklich umzugehen: mit intelligenten Strategien. Ich glaube, dass die Marketingleute durch die Organisation von Gemeinschaft und Emotionalisierung das Handwerkszeug kennen, die Menschen zu erreichen. Ich meine, man sollte die Leute bei diesen kritischen Fragestellungen einbeziehen. Sie lösen das sicherlich nicht alleine aber man sollte sie zumindest mitnehmen.


Die CASiM-Konferenz 2016 „European Cities in Dynamic Competition: Urban Governance, Cooperation, Competitiveness and Sustainability“ wurde freundlich unterstützt durch die Stiftung Mercator, die VNG – Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft, das Fraunhofer Institut IAO und das Handelsblatt. Aufbauend auf der Veranstaltung ist für 2017 die Herausgabe eines Sammelbands mit Beiträgen zum Thema der Konferenz geplant. http://www.hhl.de/casim-conference-2016.

Über das Center for Advanced Studies in Management (CASiM) an der HHL Leipzig Graduate School of Management

Das Center forAdvanced Studies in Management (CASiM) ist ein im Jahre 2012 an der HHL Leipzig Graduate School of Management gegründetes, interdisziplinäres Forschungszentrum für Betriebswirtschaftslehre des 21. Jahrhunderts. CASiM vereint die Expertise aller Institute und Lehrstühle der HHL und Partnerorganisationen um Forschung in den vier folgenden Themen der Betriebswirtschaft zu betreiben: Die Rolle von Vertrauen in Unternehmen und bei seinen Stakeholdern, Management von Wandlungsprozessen in Unternehme und auf Märkten, Gesundheitsökonomie und Management von Institutionen des Gesundheitswesens sowie dynamische Stadtökonomie: Städte und Unternehmen im globalen Wettbewerb.

Neben den Forschungsaktivitäten, bietet CASiM auch eine fachübergreifende und internationale Plattform zur Weiterentwicklung der Betriebswirtschafslehre, insbesondere in Bezug auf die großen Herausforderungen durch Globalisierung, technologische Weiterentwicklung, ökologische und demografische Dynamik. Auf dieser Grundlage, ermöglicht durch die jährlichen CASiM-Konferenzen, kann das Center eine Diskussionsplattform für den interdisziplinären Austausch zwischen weiteren akademischen Disziplinen und Experten aus der Praxis bieten. http://www.hhl.de/casim

Über die HHL Leipzig Graduate School of Management

Die HHL ist eine universitäre Einrichtung und zählt zu den führenden internationalen Business Schools. Ziel der ältesten betriebswirtschaftlichen Hochschule im deutschsprachigen Raum ist die Ausbildung leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten. Neben der internationalen Ausrichtung spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine herausragende Rolle. Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden. http://www.hhl.de

Weitere Informationen:
Casim Conference 2016 | www.hhl.de