TÜV SÜD und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) schließen sich zusammen, um Genesis, eine offene, nicht proprietäre Plattform zur kontinuierlichen Validierung von KI-Modulen in autonomen Fahrzeugen, zu schaffen. Genau wie der „Körper“ der Fahrzeuge – die Karosserie, der Motor und alle weiteren physischen Bestandteile – wird zukünftig also auch das „Gehirn“ – die KI Module – einer Prüfung unterzogen, so dass die Verbraucher sicher sein können, dass die von der Industrie gelieferten Produkte für den Straßenverkehr tauglich und sicher sind.
Genesis steht für die Genese einer neuen Generation intelligenter Systeme, die zukünftig den Alltag vieler Menschen ebenso sehr beeinflussen wird wie das Fernsehen oder das Internet.
Auf dem Weg zur fertigen Plattform fürs Autonome Fahren ist noch eine Reihe von technischen Herausforderungen zu meistern, denen sich das DFKI im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes REACT widmen wird. TÜV SÜD unterstützt die Forschung und Entwicklung in REACT und bereitet zusammen mit dem DFKI die Einführung der Plattform vor, die dann auch zugänglich für weitere Innovationspartner sein wird. Das Genesis-Konsortium engagiert sich darüber hinaus in den neu gegründeten KI-Normungsgremien der DIN und der ISO.
Die Zeit zur Realisierung des „Sicheren Autonomen Fahrens“ drängt. TÜV SÜD hat sich nun gemeinsam mit dem DFKI der Mission verschrieben, die notwendigen KI-Module für die Zukunftsvision des Autonomen Fahrens zu zertifizieren. Im Zentrum steht dabei die offene Plattform Genesis. „Das DFKI als größtes Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz ist uns ein starker Partner beim Aufbau von Genesis. Mit seinem Kompetenzzentrum Autonomes Fahren (CCAD) und den Aktivitäten in den Normungsgremien sehen wir uns gemeinsam auf dem besten Weg zu einer sicheren autonomen Mobilität“, sagt Dr. Houssem Abdellatif, Global Head Autonomous Driving bei TÜV SÜD.
Genesis bietet neben der Bereitstellung von Validierungsszenen insbesondere auch Trainingsmaterial, das eine hohe Abdeckung an kritischen Verkehrssituationen beinhaltet. Dies ist zentral, was den Schutz leichtverletzlicher Verkehrsteilnehmer (VRUs) wie Fußgänger, Radfahrer, Skater betrifft. Nur wenn das gelingt, dann kann das Autonome Fahren realisiert werden.
Von allen KI-Methoden ist derzeit Deep Learning für die Erzeugung von Anwendungen im Autonomen Fahrzeug am wichtigsten. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um neuronale Netze mit sehr vielen Ebenen, die mit einer großen Anzahl Beispiele trainiert werden. Dies wird erreicht, indem neben in Testfahrten gesammelten Realdaten auch synthetische Daten verwendet werden. Synthetische Daten werden deshalb benötigt, weil kritische Verkehrsszenarien zu selten und zu unterschiedlich sind, um mit Realdaten abgedeckt zu werden. Hier liegt der Schwerpunkt der Forschungsarbeit am Fachbereich Agenten und Simulierte Realität des DFKI. Für die Erstellung von Daten bedarf es der Forschung und Entwicklung auf den folgenden Teilgebieten
- Modellierung von Verhalten aus Intention (z.B. Verhalten eines Fußgängers, der einen Bus erreichen möchte, welcher bereits um die Ecke biegt)
- Modellierung von Bewegung aus Verhalten (z.B. wie sich ein Fußgänger auf einen Überweg zubewegt, wissend, dass er stoppen wird)
- Rendering von Sensordaten aus Bewegung (z.B. wie sieht die oben beschriebene Szene aus Sicht eines Frontradars aus?).
Das Lernen von Modellen aus synthetischen Daten, die wiederum auf Realdaten basieren und das Testen im virtuellen Raum erlauben, ist ein Spezialgebiet des DFKI-Forschungsbereichs Agenten und Simulierte Realität (ASR) unter Leitung von Prof. Dr. Philipp Slusallek. In dieser Funktion setzt er sich seit 2008 dafür ein, Künstliche Intelligenz für relevante Zukunftsthemen in die Praxis zu integrieren, wie bei autonomen Systemen, Industrie 4.0, Visualisierung, kooperativem Arbeiten, 3D-Welten und -Anwendungen. Dort ist auch das neue Competence Center Autonomous Driving angesiedelt, welche alle DFKI-Aktivitäten auf dem Gebiet der KI-Technologien für Autonome Fahrzeuge bündelt. Der Automotive-Experte Dr. Christian Müller leitet seit kurzem das CCAD.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes REACT (Autonomes Fahren: Modellierungs-, Lern- und Simulationsumgebung für das Fußgängerverhalten in kritischen Verkehrssituationen) wird innerhalb der nächsten drei Jahre das Grundgerüst für Genesis errichtet. Gesamtziel von REACT ist eine systematische, sichere und validierbare Herangehensweise zur Entwicklung, zum Training und dem Einsatz Digitaler Realität, um ein sicheres und zuverlässiges Handeln von Autonomen Systemen – insbesondere in kritischen Situationen – zu erreichen. Dazu werden Methoden und Konzepte des Maschinellen Lernens insbesondere des Deep-Learning und des (Deep-) Reinforcement-Learning (RL) verwendet, um niedrigdimensionale Teilmodelle der realen Welt zu lernen. So soll die ganze Spanne an existierenden kritischen Situationen erfasst und identifiziert werden, um sie im virtuellen Raum simulieren zu können.
Neben der Umsetzung von KI in die Praxis, strebt das DFKI auch eine Rolle bei der Definition von Standards an, wie bei IEEE, DIN und ISO. Auch auf der europäischen Ebene z.B. im Rahmen der Ausschreibung für eine Artificial Intelligence-on-demand-platform, ist das DFKI engagiert. Diese und weitere Standardisierungsvorhaben werden gesondert gefördert.