Ob eine Fahrbahn trocken ist oder nicht, hat erheblichen Einfluss auf das Verhalten von Autoreifen im Straßenverkehr. Daten über die Wetterverhältnisse auf der Straße und die dazu angemessene Fahrweise sind daher für die Erprobung des autonomen Fahrens ein wichtiger Baustein. Im Rahmen des Testfelds Autonomes Fahren Baden-Württemberg leistet die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft unter anderem diesen Projektanteil. Ende März 2018 konnte Prof. Dr. Christian Holldorb, Professor an der Fakultät für Architektur und Bauwesen sowie Mitglied des Instituts für Verkehrsplanung und Infrastrukturmanagement (IVI) an der Hochschule Karlsruhe, zusammen mit seinem Team die beiden geplanten festen Straßenwetterstationen an der Kreuzung Ostring/Käppelestraße in Karlsruhe und an der B3 südlich von Bruchsal aufbauen. Aktuell werden diese in Betrieb genommen.
Die Straßenwetterstationen bestehen aus verschiedenen Komponenten: Ein Sensor am Mast erfasst atmosphärische Parameter wie relative Luftfeuchte, Niederschlagsart (Regen, Schnee) und Niederschlagsintensität sowie den Luftdruck. Ein weiterer Sensor in der Fahrbahn ist verantwortlich für die Messung der Fahrbahnoberflächentemperatur, des Zustands der Fahrbahnoberfläche (trocken, feucht, nass, glatt), der Wasserfilmdicke sowie der Temperatur in 5 bzw. 30 cm Tiefe. Über ein Videobild der Fahrbahnoberfläche findet eine Plausibilitätsprüfung der gemessenen Daten statt. Alle 60 Sekunden werden die Daten per SIM-Karte an einen zentralen Server der BOSCHUNG Mecatronic GmbH übertragen, wo alle Straßenwetterstationen in Baden-Württemberg zentral gehostet werden. Von dort werden sie an den zentralen Testfeldserver weitergeleitet, auf dem sie den späteren Testfeldnutzern zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen. Auch die Straßenbauverwaltungen und der Deutsche Wetterdienst profitieren von den Daten und können diese zur Steuerung des Winterdiensts bzw. zur Verbesserung der Wetterprognose nutzen. Erstmalig in Deutschland wurde auch der angrenzende Radweg an der Kreuzung Ostring/Käppelestraße in Karlsruhe mit einem Bodensensor ausgestattet, um Unterschiede zwischen Radwegen und Fahrbahnen erkennen zu können. Neben der Installation der Sensorik waren vor Ort auch Tiefbauarbeiten sowie der Anschluss an die Energieversorgung erforderlich.
Ergänzend zu diesen beiden im Rahmen des Testfelds aufgebauten Straßenwetterstationen kommen nach dem vollständigen Abschluss der Installationen drei weitere feste sowie eine mobile Station auf der Testfeldstrecke hinzu, sodass diese eine der ersten Strecken sein wird, die über zahlreiche Straßenwetterstationen verfügt. „Diese Technik liefert für die Steuerung von Fahrzeugen wichtige Informationen über den Straßenzustand“, erläutert Professor Holldorb, „so können spätere Nutzer des Testfelds Bremswege unter verschiedenen Witterungsbedingungen berechnen oder Systemgrenzen wie beispielsweise Aquaplaning-Gefahr oder Eisglätte erkennen. Auch die Autofahrer profitieren von der Technik: Vor allem anhand der atmosphärischen Daten sowie der Temperaturmessung in 5 und 30 cm Tiefe können wir Verkehrsteilnehmern wichtige Informationen über den prognostizierten Fahrbahnzustand bereitstellen. So können sie ihre Fahrweise vorausschauend den Witterungsbedingungen anpassen.“
Über das Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg
Auf dem Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg (TAF-BW) können künftig Firmen und Forschungseinrichtungen zukunftsorientierte Technologien und Dienstleistungen rund um das vernetzte und automatisierte Fahren im alltäglichen Straßenverkehr erproben, etwa automatisiertes Fahren von Autos, Bussen oder Nutzfahrzeugen wie Straßenreinigung oder Zustelldienste. Zudem lassen sich die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortschreiben. Dafür werden aktuell in der Aufbauphase u. a. Verkehrsflächen unterschiedlichster Art vorbereitet, hochgenaue 3-D-Karten erzeugt sowie Sensoren zur Echtzeiterfassung des Verkehrs und dessen Einflussfaktoren installiert.
Zur Konzeption, Planung und dem Aufbau des Testfelds stellte das federführende Verkehrsministerium 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Aufbau des Testfelds ist 2016 begonnen worden, die offizielle Eröffnung findet am 3. Mai 2018 statt. Weitere Informationen unter www.taf-bw.de
Über das Konsortium
Konzeption, Planung und Ausbau des Testfelds Autonomes Fahren Baden-Württemberg wird umgesetzt von einem Konsortium aus dem FZI Forschungszentrum Informatik, der Stadt Karlsruhe, dem Karlsruher Institut für Technologie, der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, der Hochschule Heilbronn und der Stadt Bruchsal sowie weiteren assoziierten Partnern das Testfeld. Der zukünftige Testfeldbetreiber ist der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV).
Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg stellte dafür dem Konsortium 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Konsortium sowie die assoziierten Partner und Industriepartner bringen zusätzlich Eigenmittel in das Vorhaben ein, in dessen Rahmen ein technologieoffenes und einzelunternehmensunabhängiges Testfeld für das vernetzte und automatisierte Fahren in Baden-Württemberg entstehen wird.
Das FZI Forschungszentrum Informatik übernimmt die Konsortialführerschaft und bringt Know-How in die Wahrnehmung von Verkehrsteilnehmern in Kreuzungen, die vernetzte Infrastruktur sowie die IT-Datenhaltung ein. Darüber hinaus werden die bestehenden Forschungsfahrzeuge auch für interessierte Testfeldnutzer als Sensorträger und Forschungsplattform zur Verfügung gestellt. Auch das Thema Datenschutz sowie der gesteckte Rechtsrahmen werden dabei von den Mitarbeitern des FZI untersucht und berücksichtigt. Mehr unter: www.fzi.de
Die Stadt Karlsruhe unterstützt den Aufbau des Testfelds durch die spezielle Ausrüstung von Ampelsystemen, durch Personalressourcen und den Ausbau des kostenlosen Internetangebots KA-WLAN. Außerdem stellt sie (als Mitgesellschafterin des KVV) den Betrieb des Testfeldes sicher. Weitere Informationen unter: www.karlsruhe.de
Das Karlsruher Institut für Technologie beteiligt sich an der Planung sowie am Aufbau des Testfelds, baut einen mobilen Leitstand auf und stellt Büroflächen und Werkstätten für die Nutzer des Testfelds bereit. Zusätzlich erarbeiten die Wissenschaftler Grundlagen für Verkehrsflussmodelle und stellen Prüfeinrichtungen für technische Prüfungen bereit. Details zum KIT-Zentrum Mobilitätssysteme: www.mobilitaetssysteme.kit.edu
Die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft beteiligt sich vor allem in folgenden Themenfeldern am Aufbau des Testfeldes: Ausstattung des Straßennetzes mit Sensorik und Videotechnik zur Erfassung von Verkehrsabläufen, Witterung und Straßenzustand, Integration von Daten zum baulichen Straßenzustand in das hochpräzise Kartenmaterial, Werkstätten am Standort Bruchsal sowie Definition/ Realisierung der Informationssysteme und Integration der Echtzeitauskunft.
Das Fraunhofer IOSB wird mit dem Betriebsstart ein Webportal zum Testfeld für interessierte Bürgerinnen und Bürger mit Informationen über die genutzten Sensoren, abgeleitete Sensordaten den sichergestellten Datenschutz anbieten. Dieses gibt eine Übersicht zu den installierten und geplanten Sensoren und Live-Informationen wie die Beschaffenheit der Fahrbahn sowie den Streckenverlauf des Testfelds. Im Arbeitspaket Rechtsrahmen, Datenschutz und Sicherheit bringt das Fraunhofer IOSB umfassendes Wissen über technischen Datenschutz in komplexen Systemen ein. Es unterstützt die Partner dabei, Konzepte zu entwickeln, wie das Testfeld rechtliche Datenschutzvorgaben im laufenden Betrieb erfüllen und gleichzeitig den hohen angestrebten Nutzen erreichen kann. Mehr unter: www.iosb.fraunhofer.de
Stadt und Region Bruchsal bringen sich mit Baden-Württembergs zweitgrößtem E-Carsharingsystem „zeozweifrei unterwegs”, dem Innovationszentrum für experimentelle urbane Logistik „efeuCampus” sowie attraktiven Streckenabschnitte wie der barocken Schlossdurchfahrt, die einst schon Berta Benz als Kulisse für die allererste Autofahrt nutzte, ins Testfeld ein. Mehr unter: www.bruchsal.de
Die Hochschule Heilbronn gemeinsam mit der Stadt Heilbronn integriert in das Testfeld einen Streckenabschnitt, welcher die Zufahrt zur Buga-2019 enthält und das Reallabor Autonome Logistik anbindet. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Untersuchung von urbanen Mobilitätskonzepten. Wissenschaftler der Hochschule Heilbronn befassen sich innerhalb des gesamten Testfelds insbesondere mit dem Aufbau und Design von intelligenten Sensorsystemen zur Umfelderfassung und der algorithmischen Situationsanalyse. Mehr unter: www.hs-heilbronn.de
Als späterer Betreiber nimmt der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) beim Testfeld-Projekt eine zentrale Rolle ein. Von der Leitstelle in der Karlsruher Oststadt wird der KVV die Fahrten und Anwendungen der Testfeld-Benutzer koordinieren und wird dem Pilotprojekt auch selbst autonome Mini-Busse testen. Weitere Informationen unter: www.kvv.de