In Deutschland sind von den 74 Städten, in denen einst Trolleybusse eingesetzt wurden, nur noch drei übrig geblieben: Eberswalde, Esslingen und Solingen. Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist, dass die Oberleitung bis heute durchgängig sein muss, weil die Trolleybusse die notwendige Energie unmittelbar aus der Oberleitung beziehen. Das macht die Busse jedoch unflexibel bei Störungen im Streckenverlauf, die Oberleitung ist zudem verhältnismäßig teuer.
Herausforderung: das Andrahten
Trolleybusse könnten wie andere Elektrofahrzeuge auch mit Batteriespeichern ausgestattet werden. Dabei müsste die notwendige Batteriekapazität lediglich auf das Überbrücken kürzerer Distanzen ausgelegt zu werden (beispielweise 5 bis 20 km), dadurch wären Elektrobusse wesentlich flexibler. Vor allem aber könnten komplizierte, wartungsintensive und damit kostspielige Elemente der Oberleitung wie Weichen, Kreuzungen und enge Kurven entfallen. Ebenso könnten denkmalgeschützte Bereiche ohne Oberleitung durchfahren werden. Dieses Prinzip wird partielle Oberleitung genannt.
„Dabei gibt es allerdings ein Problem: die Stromabnehmer müssten im Streckenverlauf mehrmals von der Oberleitung entfernt werden, was relativ einfach ist, und auch wieder angelegt werden – was relativ kompliziert ist“, sagt Prof. Matthias Thein vom Entwicklerteam des Instituts für Energie und Verkehr der Fakultät Kraftfahrzeugtechnik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. „Das Wiederanlegen – auch Andrahten genannt – wird wie vor 100 Jahren noch von Hand oder in seltenen Fällen auch mit Hilfe von sogenannten Eindrahttrichtern durchgeführt.“ Beide Methoden stehen jedoch einem häufigen „Andrahten“ entgegen.
Deshalb wird in Zwickau seit zwei Jahren im Rahmen eines im „Schaufenster Elektromobilität“ geförderten Projektes ein automatisiertes Andrahtsystem entwickelt. Als Versuchsträger dient ein LKW. Er wurde so umgerüstet, dass das Stromabnehmersystem wie auf dem Dach eines Trolleybusses eingesetzt werden kann. Wie zu vermuten war, ist das Andrahten ein schwieriges Unterfangen. Dabei müssen die beiden schmalen Stromabnehmerköpfe die etwa ein Zentimeter dünnen Leitungen in sechs Metern Entfernung vom Stromabnehmerunterteil treffen.
Im November 2015 konnte schließlich bei einer ersten Erprobung des neu entwickelten Systems an einer Oberleitung der Barnimer Busgesellschaft in Eberswalde die prinzipielle Eignung des gewählten Lösungsansatzes nachgewiesen werden. „Dennoch ist noch eine Reihe von Problemen zu lösen, beispielsweise das sichere Andrahten bei schrägem Verlauf der Oberleitung oder die Wegfortschreibung bei Ausfall des GPS-Signals. Auch muss noch die Dauerfestigkeit der neu entwickelten Magnetventile verbessert werden“, so Prof. Matthias Thein.
Sechs Abschlussarbeiten wurden bzw. werden übrigens rund um den „Skorpion“ geschrieben. Somit wird nicht nur wissenschaftliche Tiefe erreicht, sondern das Projekt ist auch eng mit dem Studium verknüpft.
Weitere Informationen: SKORPION
Hintergrund
Trolleybusse sind die älteste Gattung der Elektrobusse und bereits seit mehr als 100 Jahren im Einsatz. Diese einfachen, robusten und zugleich sehr zuverlässigen Fahrzeuge beziehen ihre Energie aus einer Oberleitung. Wie alle Elektrofahrzeuge bewirken sie lokal kaum Emissionen und können natürlich auch mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden. Fahrgäste schätzen die leise und komfortable Fahrweise. Weltweit werden in 305 Städten, davon allein in Europa in 149 Städten Trolleybuslinien betrieben. Auch in Zwickau fuhren zwischen 1938 und 1977 Trolleybusse.
*Der Kunstname (Akronym) SKORPION leitet sich ab aus: Strom Kraft Oberleitung Rekuperation Plug-In Innovation oekologisch nachhaltig.