Stadtraum: Forschung

In den Städten werden die Gewerbeflächen knapp

Gewerbeflächen
© Oleg Laptev auf Unsplash

Institut Arbeit und Technik IAT, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, zeigt Kommunale Strategien zur Sicherung Urbaner Produktion

Es mangelt eklatant an Gewerbeflächen im Revier, an Platz für expandierende oder ansiedlungswillige Betriebe. Oft werden sogar ansässiges Gewerbe und Handwerk verdrängt, weil Wohnungen oder Einzelhandel höhere Renditen erzielen. Wie Kommunen gegensteuern und vielleicht die „Produktion zurück in die Stadt“ holen können, hat die Regionalforscherin Kerstin Meyer vom Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule Gelsenkirchen) untersucht. Ihre Studie über Kommunale Strategien und Wirtschaftsflächenkonzepte zur Sicherung und Förderung Urbaner Produktion ist in dem soeben erschienenen Sammelband „Die produktive Stadt“ erschienen.

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Kommunen zunehmend mit der Thematik. Um Flächen zur Neuansiedlung vorzuhalten, haben sie die Möglichkeit, Fachkonzepte zur Wirtschafts- und Gewerbeentwicklung zu verabschieden. Diese informellen Instrumente können z. B. durch einen Ratsbeschluss politisch legitimiert und in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen formell verankert werden. So können etwa Gewerbe- und Industriegebiete für produzierendes Gewerbe erhalten sowie funktionale Umnutzungen verhindert werden.

Die IAT-Forscherin Kerstin Meyer hat vier kommunale Konzepte (London, Düsseldorf, Bremen, Stuttgart) sowie deren Entstehungsprozess analysiert. Die Ergebnisse können als Anregung für andere Kommunen dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen und nach Lösungen zum Erhalt oder Ermöglichung der Produktiven Stadt suchen.

Keine Umwidmung von Industrie- oder Gewerbeflächen

„Will eine Kommune Produktion in der Stadt erhalten bzw. ansiedeln, sind verbindliche strategische Konzepte wichtig, um der Verwaltung zu signalisieren, dass die Politik hinter diesen Plänen steht“, fordert Meyer. Dann muss beispielsweise bei der Flächenprüfung zur Umwidmung einer Industrie- oder Gewerbefläche zu Dienstleistung oder Wohnen evtl. die Genehmigung untersagt werden, selbst wenn ein höherer Preis für die Fläche erzielt würde.

Beispiele kommunaler Strategien:

In London versucht die Stadt mit dem London Plan die verbliebenen Industriegebiete und Industrieparks mithilfe der Ausweisung von Stratitic Industrial Lands zu schützen und in den Gebieten andere Nutzungen wie Wohnen zu untersagen. Neben dieser Regulierung ermöglicht London mit dem „No net loss“-Ziel zudem eine höhere Flexibilität, da innerhalb einzelner Parzellen Nutzungsänderungen stattfinden können, wenn die Geschossflächenzahl für produzierendes Gewerbe an anderer Stelle erhöht wird. Ebenfalls stark von ökonomischen Entwicklungen getrieben ist die Stadt Düsseldorf, die jedoch neben dem Schutz der Industriegebiete weitere grundlegende produktive Aktivitäten unterstützt und dort z. B. die städtische Tochter IDR Handwerkerhöfe entwickelt. Zudem ist das Düsseldorfer Konzept in den Regionalplan eingebunden und gesamtstädtisch verankert. Bremen stellt mit dem GEP 2030 ein Handlungsprogramm mit diversen Maßnahmen auf, um Flächen für die zukünftige Entwicklung bereitzustellen, auch zentrennah sollen Gewerbeflächen für Handwerk und Manufakturen vorgesehen werden. In Stuttgart, wo der Druck auf die Gewerbeflächen bei Politik und Bürgerschaft bisher noch kaum Berücksichtigung findet, wird das Konzept eher missionsorientiert von der Stadtverwaltung angetrieben und mittels einer Internationalen Bauausstellung in der StadtRegion Stuttgart mit Pilotprojekten unterstützt. Mit dem Titel Maker City kann das Rosensteinquartier in Stuttgart eine besondere Rolle einnehmen.

Die vier Strategien wurden in wachsenden Großstädten entwickelt, die aufgrund der Flächenknappheit und Nutzungskonkurrenzen dem Handlungsdruck zur Förderung und Sicherung von Urbaner Produktion schon lange ausgesetzt sind und dadurch gewissermaßen gezwungen sind, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Fortschreiten zu verhindern. Sie zeigen nun Handlungsmöglichkeiten und Instrumente zur Sicherung und Förderung Urbaner Produktion für andere Kommunen auf. Allerdings sind die entwickelten und teils bereits angewandten Instrumente oft mit hohem (Planungs-)Aufwand oder Kosten verbunden.

Regionale Unterstützung

Kommunen in Haushaltssicherung oder kleine Kommunen, die kaum Personal zur Verfügung haben, werden viele der genannten Instrumente nicht einfach umsetzen können. Hierfür braucht es ggf. regionale Unterstützungsstrukturen, z. B. zur Datenerfassung, zur planungsrechtlichen Unterstützung bei Vorkaufsrechtssatzungen, städtebaulichen Verträgen oder Konzeptvergaben oder gar dem Aufkauf von Flächen (z. B. durch regionale Entwicklungsagenturen). Es besteht weiterer Forschungsbedarf: Inwiefern greifen die Instrumente und Konzepte letztlich langfristig und welche Bausteine sind in der Alltagspraxis besonders vielversprechend? Auch weitere Instrumente, wie bspw. Erbbaurechtssatzungen, revolvierende Bodenfonds oder Erhaltungssatzungen für Gewerbe sind unzureichend angewandt und erforscht. Darüber hinaus gibt es hinsichtlich Konzepten zur Umwelt- bzw. Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft weitere Aspekte wie industrielle Symbiosen, Abwärmenutzung oder Ressourcensharing, die bisher in den Konzepten wenig Berücksichtigung finden.


Originalpublikation:
Kerstin Meyer (2023): Kommunale Strategien und Wirtschaftsflächenkonzepte zur Sicherung und Förderung Urbaner Produktion in: Die Produktive Stadt. (Re-) Integration der Urbanen Produktion
Gärtner, S. & Meyer, K. (2023): Die Produktive Stadt. (Re-) Integration der Urbanen Produktion. Berlin: Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66771-2