Stadtraum: Forschung

Kleinstädte – jenseits von Großstadt und ländlichem Raum

Kleinstädte
© Hans Linde auf Pixabay

Kleinstädte standen bislang nicht im Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen. Ein Positionspapier zeigt nun den Stand der Forschung.

Das „Positionspapier Kleinstadtforschung“ des Ad-hoc-Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) fasst erstmals den Stand der empirischen Forschung zu Kleinstädten zusammen und fokussiert die anstehenden Aufgaben einer zeitgemäßen Kleinstadtforschung.

Bedeutung der Kleinstädte

Bedeutung der Kleinstädte nach Anzahl, Fläche und Bevölkerung 2017. © Laufende Raumbeobachtung des BBSR (Daten: 2017)

Stadtforschung ist in Deutschland traditionell großstadtorientiert. Auch medial genießen großstädtische Themen und Probleme vorrangige Aufmerksamkeit. Damit stehen die Situation kleinerer Städte und die sie prägenden Strukturen, Verflechtungen und Trends im Schatten des viel diskutierten Großstadtwachstums und der neuen Bedeutung des Städtischen im Zeichen der Reurbanisierung. Zu anderen Stadttypen, insbesondere zu Kleinstädten mit zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, wurde bisher empirisch wenig geforscht. Dabei lebt knapp ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland in über 2000 Kleinstädten. Keine andere Siedlungskategorie ist so stark vertreten (s. Bild). Zugleich wird das, was es an Studien zu Kleinstädten gibt, nicht ausreichend wahrgenommen. So halten sich in öffentlichen und teils auch in wissenschaftlichen Diskursen zahlreiche stereotype Vorstellungen und Erzählungen, die Kleinstädte entweder als Orte idyllischen Landlebens oder abwertend als kleinbürgerlichen und rückwärtsgewandten Gegenentwurf zur weltoffenen Großstadt thematisieren. In wissenschaftlichen Arbeiten werden Kleinstädte oft zusammen mit Mittelstädten in einer Mischkategorie als Forschungsgegenstand betrachtet oder als Teilkategorie unter ländlichen Räumen subsumiert, obwohl 56 % der Kleinstädte in räumlich zentralen Lagen zu finden sind. Allein dies deutet darauf hin, dass sich sowohl die Ausgangslagen und Problemstellungen kleiner Städte als auch ihre Chancen je nach Lage im Raum, wirtschaftlichen Gegebenheiten und baulicher Struktur unterscheiden. Kleinstädte sind nach Auffassung des Ad-hoc-Arbeitskreises Kleinstadtforschung der ARL deshalb als ein eigenständiger, vielfältiger Siedlungstyp zu verstehen.

Die Funktionen, Leistungen und Potenziale von Kleinstädten für die dort lebenden und arbeitenden Menschen, aber auch als Anker im regionalen Kontext und polyzentrischen Siedlungssystem wurden bisher wenig betrachtet. Interne Differenzierungen der Kleinstädte, etwa zwischen der Kernstadt, den Erweiterungsgebieten der Nachkriegszeit und den eingemeindeten Dörfern oder zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen finden in der Wissenschaft kaum Beachtung. Dies ist unter anderem nicht vorhandenen oder nur schwer zugänglichen Daten geschuldet. Umso mehr sind evidenzbasierte Forschungen, aber auch eine Berücksichtigung kleiner Städte in der universitären Lehre sowie Planungspraxis erforderlich. Das Positionspapier fordert eine theoretisch wie empirisch fundierte Kleinstadtforschung und enthält zugleich Empfehlungen für Forschung, Lehre, amtliche Statistik und Wissenschaftsförderung.

Originalpublikation:
Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2019): Kleinstadtforschung. Hannover. = Positionspapier aus der ARL 113.

Weitere Informationen:
www.arl-net.de


Hintergrund
Die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Leibniz-Forum für Raumwissenschaften, ist eine selbständige und unabhängige raumwissenschaftliche Einrichtung öffentlichen Rechts mit Sitz in Hannover. Als Forum und Kompetenzzentrum für nachhaltige Raumentwicklung erforscht die ARL auf nationaler und internationaler Ebene räumliche Strukturen und Entwicklungen, ihre Ursachen und Wirkungen sowie Möglichkeiten ihrer politisch-planerischen Steuerung.
Alleinstellungsmerkmal der Akademie ist ihre integrative Perspektive, die auf der inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit in zeitlich befristeten Arbeitsgremien gründet. Im Netzwerk der ARL wirken gewählte Akademiemitglieder und weitere Expertinnen und Experten sowie der Nachwuchs aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und der Planungspraxis aktiv zusammen.
Wissenschaftliches und praktisches Wissen wird so integriert und neues, vor allem anwendungsorientiertes Wissen generiert und weitergegeben. Die Ergebnisse der Akademiearbeit finden durch die Mitwirkenden direkt Anwendung in der jeweiligen hauptamtlichen Tätigkeit sowie in der Aus- und Weiterbildung. Darüber hinaus stellt die Geschäftsstelle – als Impulsgeberin, Management- und Koordinationseinrichtung – dieses gesellschaftlich relevante Wissen über zielgruppenspezifische Veröffentlichungs-, Beratungs-, Transfer- und Veranstaltungsformate der Forschung, Planungspraxis, Politik und Verwaltung sowie der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.