Stadtraum

Wohnumfeld beeinflusst Mobilitätsverhalten

Parkende Autos
Haushalte am Stadtrand haben oft ein oder sogar zwei Autos.

Acht von zehn Wegen beginnen oder enden zu Hause. Zeit, Pkw-Stellplatzverpflichtung und Wohnbauförderung zu reformieren.

Wohnbau, Wohnumfeld und Siedlungsentwicklung haben massiven Einfluss auf das Mobilitätsverhalten, wie die aktuelle Publikation des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) zeigt. Besonders schlecht ist die Energie-, Umwelt- und Kostenbilanz von Streusiedlungen. Der VCÖ weist darauf hin, dass die Pkw-Stellplatzverpflichtung den Wohnbau und das Wohnen deutlich verteuert. Das Energiesparhaus ist demnach zu einem Verkehrssparhaus weiterzuentwickeln.

„Wo wir wohnen und wie das Wohnumfeld gestaltet ist, hat einen massiven Einfluss auf unser Mobilitätsverhalten“, fasst VCÖ-Experte Mag. Markus Gansterer ein Ergebnis der aktuellen VCÖ-Publikation „Wohnen, Wohnumfeld und Mobilität“ zusammen. Acht von zehn Alltagswegen, etwa zur Arbeit, zum Einkaufen oder ins Kino beginnen oder enden zu Hause. Durch verstärkte Mobilitätsmaßnahmen beim Wohnbau und bei der Siedlungsentwicklung kann der Verkehr auf Klimakurs gebracht werden und zusätzlich können damit die Kosten für Wohnbau und Wohnen und für die Mobilität reduziert werden.

Durch eine fehlende Raumordnungspolitik wurde Österreich in den vergangenen Jahrzehnten massiv zersiedelt, deutlich stärker als vergleichbare Regionen, wie etwa Bayern. Die Folge: Es müssen mehr Kilometer zurückgelegt werden und mangels Öffentlichem Verkehr und fehlender sicherer Infrastruktur zum Gehen und Radfahren wird vor allem mit dem Auto gefahren, was wiederum die Mobilitätskosten stark erhöht. Wer wegen der Wohnkosten von der Stadt aufs Land zieht, wird meist von den deutlich höheren Mobilitätskosten überrascht. Die Mobilitätskosten eines Haushalts mit zwei Pkw sind fast achtmal so hoch wie von einem Haushalt ohne Pkw.

Ein Kostentreiber für das Wohnen ist in Österreich die Pkw-Stellplatzverpflichtung. So kostet die Errichtung eines Tiefgaragenplatzes zwischen 15.000 und 25.000 Euro, der Anteil einer Tiefgarage an den Gesamtkosten für eine durchschnittliche Wohnung beträgt etwa elf Prozent. Eine Studie der Wirtschaftskammer Tirol sieht bei der Stellplatzverpflichtung mit 50 bis 250 Euro pro Quadratmeter das größte Sparpotenzial im Wohnbereich. Bereits eine Vorschreibung von 1,75 Stellplätzen pro Wohnung statt einem Stellplatz erhöht die Miete um zehn Prozent.

Das Mobilitätsverhalten wird sich in Zukunft ändern

Wohngebäude werden für die nächsten 40, 50 Jahre gebaut. Umso wichtiger ist es, die bereits heute absehbaren zukünftigen Entwicklungen in der Gesellschaft und bei der Mobilität zu berücksichtigen. So nimmt die Zahl der Single-Haushalte stark zu. In Österreich sind bereits 37 Prozent aller Haushalte Ein-Personen-Haushalte, in den großen Städten beträgt der Anteil sogar 47 Prozent. Damit steigt der Bedarf an kleineren Wohnungen und der Bedarf am Familienauto oder Zweitauto sinkt, weiß man beim VCÖ. „Auch das sich ändernde Mobilitätsverhalten und die sinkende Bedeutung des Autos insbesondere in den Städten werden derzeit in den Vorgaben für die Stellplätze nicht berücksichtigt“, erklärt VCÖ-Experte Gansterer und drängt auf eine umfassende Reform der Stellplatzverpflichtung.

Der Energieverbrauch der Haushalte für das Wohnen ist in den vergangenen Jahren dank umfassender Maßnahmen deutlich reduziert worden. Gleichzeitig hat der Bau geförderter Energiesparhäuser auf der grünen Wiese dazu beigetragen, dass der Energieverbrauch des Verkehrs steigt. Ein herkömmliches Einfamilienhaus ohne Auto hat einen deutlich geringeren Gesamtenergieverbrauch (Wohnen und Mobilität) als ein Niedrigenergiehaus in einer Streusiedlung mit ein oder zwei Autos. Das Energiesparhaus ist daher zu einem Verkehrssparhaus weiterzuentwickeln, betont Gansterer.

Neue Strategien beim Wohn- und Bürobau

Der VCÖ fordert für neue Wohn- und Bürogebäude statt der Pkw-Stellplatzverpflichtung ein vielfältiges, gemeinsames Mobilitätsangebot. „Damit sinken sowohl die Kosten für das Wohnen als auch für die Mobilität“, weist VCÖ-Fachmann Gansterer auf den finanziellen Nutzen für die Haushalte hin. Mehrfamilien-Wohnhäuser sind sehr gut für Carsharing geeignet. Auch Elektro-Fahrräder und Lastenfahrräder sollten im gemeinsam nutzbaren Mobilitätspool enthalten sein. Wesentlich ist bei neuen Wohnsiedlungen und Bürogebäuden die gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr.

Bei bestehenden Häusern, Wohnanlagen und Bürogebäuden braucht es ähnlich einer Raumwärmesanierung auch eine Mobilitätssanierung. Dabei ist unter anderem für Fahrräder auf ausreichend Abstellplätze zu achten, die leicht zugänglich sowie wettergeschützt und diebstahlsicher sind. Auch die Entwicklung von Carsharing- & Bikesharing Angeboten ist gemeinsam mit den Mieterinnen und Mietern zu forcieren.

Die neue VCÖ-Publikation „Wohnen, Wohnbau und Mobilität“ kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Weitere Informationen:
www.vcoe.at