Infrastruktur

Naturbasierte Lösungen zum Hochwasserschutz: Die Stadt als Schwamm

Naturbasierte Lösungen zum Hochwasserschutz
© Markus Distelrath auf Pixabay

Kein Schnellverfahren: Naturbasierte Lösungen für den Hochwasserschutz brauchen Platz, Geduld und Mut. Aber es lohnt sich.

Über Jahrzehnte hinweg haben Menschen Flüsse als Wasserstraßen genutzt und sie dafür verändert, begradigt, eingezwängt. Gleichzeitig wurde immer mehr Land bebaut und versiegelt, sodass Regenwasser nicht mehr vor Ort versickern kann. Es läuft schnell ab und landet in den Flüssen – die Hochwasser- und Überflutungsgefahr steigt. „Der erste Reflex ist dann oft: Wir erhöhen den Deich“, sagt Prof. Dr. Christian Albert, Inhaber des Lehrstuhls für Umweltanalyse und -planung in metropolitanen Räumen der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Aber solche technischen Maßnahmen verlagern das Problem nur flussabwärts. Mit seinem Team hat er ein Handbuch zu naturbasierten Lösungen für den Hochwasserschutz veröffentlicht. Sie wirken nachhaltig.

Naturbasierte Lösungen: Viele Vorteile – große Hürden

„Wir müssen zum beidseitigen Vorteil mit der Natur arbeiten. Nur dann funktionieren Lösungen auch langfristig“, unterstreicht der Forscher. Die Möglichkeiten sind zahlreich: Man kann Altarme durch eine Absenkung von Flussufern wieder anbinden und so wieder Flussauen schaffen, die bei Hochwasser überflutet werden dürfen. Man kann dafür sorgen, dass an den Seiten landwirtschaftlich genutzter Flächen breitere Randstreifen angelegt werden, die durch mehr Rauigkeit die Bodenerosion verringern und es einfacher machen, dass Wasser versickert.

Grüne Infrastruktur heißt das Konzept, das sich aus zahlreichen Einzelmaßnahmen zusammensetzen kann. „Das fängt schon beim begrünten Garagendach an“, so Christian Albert. Auch Gärten, Kleingartenanlagen, Äcker und Parks spielen eine Rolle. Nebenbei haben die so entstehenden Landschaften viele positive Effekte: Sie fördern die Artenvielfalt, indem sie Lebensräume bieten. Sie mildern Hitzewellen im Sommer. Sie bringen der Stadtbevölkerung Grünflächen, die für Freizeitaktivitäten und Erholung genutzt werden können.

Und trotzdem haben sie es nicht leicht, sich durchzusetzen. Eine Analyse der Hochwasserrisikomanagementpläne 2012 bis 2015 der Bundesländer Hessen, Niedersachsen und Sachsen, die Alberts Team durchgeführt hat, hat gezeigt, dass naturbasierte Lösungen nur neun Prozent der darin vorgeschlagenen Maßnahmen ausmachen.

Mit allen reden

Tatsächlich gibt es Hürden, weiß Christian Albert. Naturbasierte Lösungen brauchen mehr Platz als technische. Sie brauchen auch mehr Zeit für die Umsetzung. Sie entsprechen nicht den Gewohnheiten derer, die mit Hochwasserschutz zu tun haben und für die bisher die Schiffbarkeit von Flüssen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben oberste Priorität hatte. Sie zwingen mitunter Einzelne, ihre gewohnten Aktivitäten einzuschränken. „Mit all diesen Leuten muss man reden und gemeinsam Lösungen finden“, so Albert, „und das ist aufwändig.“

Aber es lohnt sich, davon ist der Forscher überzeugt. „Wenn eine solche Maßnahme einmal umgesetzt ist, sind die Leute oft überrascht, wie schön es plötzlich ist“, berichtet er. Mit seinem Team bietet der Umweltplaner im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit auch Beratung für die Praxis an.


Originalveröffentlichungen
Das Forschungsteam hat auf Basis seiner Erfahrungen ein Handbuch und ein Policy Brief für die Praxis herausgegeben.

Barbara Schröter, Mario Brillinger, Sarah Gottwald, Paulina Guerrero, Jennifer Henze, Edward Ott, Stefan Schmidt, Christian Albert: Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften. Ein Handbuch für die Praxis, Oekom-Verlag, München, 2021, 120 Seiten, ISBN 9783962383091, online verfügbar:Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften

Christian Albert, Barbara Schröter, Stefan Schmidt, Mario Brillinger, Paulina Guerrero, Sarah Gottwald, Jennifer Henze, Edward Ott: Zukunftsfähige Flusslandschaften mit natur-basierten Lösungen planen und entwickeln. Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts-forschung (ZALF), Müncheberg, 2021, DOI: 10.13154/294-8104, Link


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