In einem großen Praxisversuch mit 63 StreetScootern WORK XL an einem Verteilzentrum der Deutsche Post DHL Group (DPDHL) in Kleinmachnow nahe Berlin wird erstmalig die Steuerung der Ladevorgänge aus Sicht des Netzbetreibers erprobt. Ziel ist es, Verfahren für eine intelligente Netzintegration des elektrifizierten Verkehrssektors zu entwickeln.
Über eine Projektlaufzeit von drei Jahren entwickelt das Forschungskonsortium in dem Projekt „Intelligente Netzintegration der elektrifizierten Logistik“ (Netz_eLOG) Verfahren, um Angebot und Nachfrage von Energie intelligent zusammenzuführen. Das Konsortium besteht neben dem Konsortialführer Reiner Lemoine Institut (RLI) aus dem Engineering-Partner IAV GmbH sowie der E.DIS Netz GmbH. Die DPDHL ist assoziierter Partner im Projekt.
Flexibilitätspotenziale werden durch Erneuerbare Energien immer wichtiger
Die in Elektrofahrzeugen verbauten Speicher bieten ein enormes Flexibilitätspotenzial, das mit steigender, volatiler Einspeisung Erneuerbarer Energien für Netzbetreiber immer wichtiger wird.
„Wir wollen die Nachfrage von Strom durch den elektrifizierten Verkehr möglichst intelligent mit der Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien verknüpfen“, erklärt Oliver Arnhold, Leiter des RLI-Forschungsbereichs Mobilität mit Erneuerbaren Energien. „Flottenbetreiber haben bislang nur wenig Anreize, netzseitige Kriterien beim Laden ihrer Fahrzeuge zu berücksichtigen. Ein wichtiger Teil des Projekts sind daher die im Projekt geplanten Workshops zur Entwicklung wirtschaftlicher Anreizmodelle. Wir laden alle Stakeholder dazu ein, sich an diesem Prozess zu beteiligen.“
Robert Frase, Abteilungsleiter im Bereich Thermodynamics & Power Systems bei IAV: „Um Netzengpässe durch den zunehmenden Einsatz der Elektromobilität zu vermeiden, sind steuerbare Netzlasten elementar. Im Projekt Netz_eLOG bringen wir alle Schnittstellen zusammen und entwickeln eine interoperable Softwarelösung, die eine optimale Netzlast steuert und das bedarfsgerechte Laden der Flotte sicherstellt.“ Hierbei sind neben den vorrangig logistischen Kriterien des Flottenbetreibers auch die Anforderungen des Netzbetreibers in die Steuerung der Ladevorgänge zu integrieren.
Durch die Novellierung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) werden Redispatch-Maßnahmen ab Oktober 2021 bereits für Erzeugungsanlagen von 100 kW Leistung sowie fernsteuerbare Anlagen möglich, dies stärkt die Rolle der Verteilnetzbetreiber. Darunter fallen perspektivisch auch große elektrische Fahrzeugflotten. Der BDEW erarbeitet dazu im Projekt „Redispatch 2.0“ eigens eine Branchenlösung zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des NABEG 2.0. Das Projekt Netz_eLOG bietet die Chance, diese zukünftigen Vorgaben am Beispiel einer großen elektrischen Flotte vorab zu erproben.
Harald Bock, Geschäftsführer der E.DIS Netz GmbH erklärt: „In dem Forschungsprojekt können wir bereits heute Verfahren entwickeln und im realen Betrieb erproben, die für den kommenden Markthochlauf dringend erforderlich sind und die sicherstellen, dass die Elektromobilität zukünftig einen Beitrag zur Netzstabilität leistet.“
Simulationsmodell erlaubt Analyse unterschiedlichster Standorte und Szenarien
In Netz_eLOG werden über die Entwicklung und Erprobung der Software im realen Betrieb am Standort hinaus simulativ auch verschiedene Szenarien untersucht, wie etwa die Nutzung lokaler Erneuerbarer Energien oder stationärer Batteriespeicher. Zusätzlich wird in Übertragbarkeitsszenarien die Anwendung auf weitere Verkehrsbereiche untersucht, wie etwa den ÖPNV, die Wohnungswirtschaft oder P+R-Parkplätze. Ziel der Untersuchungen ist es, dass Netzbetreiber die Flexibilitätsoptionen für einen konkreten Standort sowie für die breite Anwendung der intelligenten Ladesteuerung einschätzen können und dies in die zukünftige Netzplanung einfließen kann.
Gefördert wird Netz_eLOG vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“. Koordiniert wird es durch den VDI/VDE-IT.
Weitere Informationen:
Reiner Lemoine Institut
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