Mobilität: Forschung

Positive Bilanz der Elektromobilität nur mit Ökostrom

Elektromobilität
Für die Betankung von Elektrofahrzeugen muss die Infrastruktur ausgebaut werden. © pixabay

Elektroautos sind nur bei entsprechenden Nutzungsbedingungen umweltfreundlicher als konventionell angetriebene Fahrzeuge

Schnell mit dem wendigen Elektro-Kleinwagen in die Innenstadt, um noch letzte Einkäufe vor dem Urlaub zu erledigen, und im fliegenden Wechsel mit dem Kombi-Hybrid nach Italien düsen. Das Auto als flexible, ressourcen- und umweltschonende Variable, welche je nach Mobilitätsbedarf gewechselt werden kann – ist das die Zukunft des Automobils? Noch sind wir weit entfernt von abgasfreien und geräuscharmen Städten, im Gegenteil: Fast täglich konfrontieren uns Medien mit bedenklichen Feinstaubwerten in Deutschlands Metropolen, einhergehend mit der Aufforderung, doch die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.

Modellregionen Elektromobilität

Politik und Gesellschaft setzen große Hoffnungen in die Elektromobilität. Die kürzlich durch die Bundesregierung beschlossene Kaufprämie soll die Anzahl der elektrisch betriebenen Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen signifikant erhöhen. Seit 2009 fördert das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) im Projekt „Modellregionen Elektromobilität“ den Ausbau und die Marktvorbereitung dieser Technologie. Im Schulterschluss arbeiten Akteure aus Wissenschaft, Industrie und Kommunen daran, die erforderliche Infrastruktur aufzubauen und damit die Elektromobilität voranzubringen.

Involviert in diesen Prozess ist die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP. Roberta Graf, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IBP, leitet innerhalb des Großprojekts die Umweltbegleitforschung der Arbeitsgruppe PKW und Nutzfahrzeuge. In diesem Konglomerat aus Experten begleitet sie Projektpartner bei inhaltlichen Fragestellungen und wertet die erhobenen Daten und Projektergebnisse wissenschaftlich aus. Dabei richtet sie ihren Fokus auf die Umweltwirkung der Fahrzeuge. In Kooperation mit dem Projektpartner thinkstep AG und mithilfe von Software-Systemen und GaBi-Datenbanken werden jedoch auch eine umfassendere Bewertung der Praxistauglichkeit, Leistungsfähigkeit und Umweltperformance von batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-In-Hybriden im Alltagseinsatz bewertet.

„Die Zusammenarbeit der Partner gestaltete sich von Anfang an sehr vertrauensbasiert. Aus den verschiedenen Bereichen erhielten wir umfangreiches Datenmaterial, aus dem wir detaillierte Analysen und Auswertungen erstellen konnten, um damit methodische Grundlagen für Forschung und Entwicklung neuer Ansätze zu erarbeiten. Die Ergebnisse spiegeln sich unserem differenzierten Abschlussbericht wider“, erläutert die Wissenschaftlerin. Die Ökobilanzauswertungen basieren auf einer umfassenden Datenerhebung zum realen Fahrzeugeinsatz. In den Modellregionen wie beispielsweise Stuttgart, Hamburg, Rhein-Main oder Rhein-Ruhr erfassten die Wissenschaftler neben Verbrauchswerten und Laufleistungen auch weitere wichtige Parameter wie Fahrstrecken, Ladeeffizienz der Nutzungsprofile und die Temperaturabhängigkeit auf den Energieverbrauch und bildeten diese ab. Es geht vor allem darum, Empfehlungen aus den Erfahrungen der Modellregionen abzuleiten und einem größeren Kreis von Akteuren konkrete Handlungsleitfäden an die Hand zu geben, wie sich die Marktentwicklung für die Elektromobilität in Deutschland beschleunigen lässt.

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Ein Elektroauto muss etwa 60.000 km fahren, um einen ökologischen Vorteil gegenüber einem Benzinfahrzeug aufzuweisen. © Fraunhofer IBP

Ökobilanz von Elektrofahrzeugen

Doch wie umweltfreundlich sind nun diese innovativen Antriebe und Fahrzeuge? Um herauszufinden, wie die Ökobilanz der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge ist, reicht der Blick allein auf die Vermeidung von Abgasen längst nicht aus. „Eine grundlegende Erkenntnis der Studie war, dass Elektroautos nur bei entsprechenden Nutzungsbedingungen umweltfreundlicher sind als konventionell angetriebene Fahrzeuge“, erklärt Roberta Graf. „Deutlich wurde auch, dass das Umweltprofil der Hybridfahrzeuge noch stärker vom Nutzer beeinflusst werden kann. Als Schwellentechnologie wird das Plug-In-Hybrid-Fahrzeug, das von mindestens einem Elektromotor und einem weiteren Energiewandler angetrieben wird und seine Energie aus einer Speichereinrichtung und aus einem Betriebskraftstofftank bezieht, nicht so schnell von unseren Straßen verschwinden, zumal seine große Reichweite bisher noch eine bedeutende Rolle spielt“, ist Graf überzeugt. „Die Studie zeigte aber, dass es auch bei den Reichweiten von batterieelektrischen Fahrzeugen noch erheblichen Spielraum für längere Fahrdistanzen gibt“. Je nach Einsatz und Fahrweise punkten die Autos mit geringerer Batteriekapazität vor allem im urbanen Liefer- und Verteilverkehr. In individueller Mobilität und in sich greifenden abgestimmten Transportketten schlummern noch große Potenziale für mehr Effizienz.

„Über die ganzheitliche Bilanzierung, die sich vom Abbau der Rohstoffe bis hin zum Recycling der im Elektrofahrzeug verwendeten Materialien erstreckt, konnten wir den ökologischen Rucksack identifizieren und sowohl den Ressourcenverbrauch als auch die ökologische Effizienz sehr genau beurteilen.“ Zur Analyse der Umweltbelastung berücksichtigen die IBP-Forscher neben dem Fahrzeugbetrieb selbst auch die Bereitstellung von dessen Energie und die Produktion sowie Wartung und Entsorgung der Fahrzeuge.

Zu Beginn seines Lebens sieht die Umweltbilanz des Elektroautos nicht rosig aus. In der Herstellungsphase fallen die Umweltwirkungen deutlich höher aus, als bei konventionellen Fahrzeugen. Das liegt an den Batteriesystemen, und vor allem am Abbau, der Aufbereitung sowie der Produktion der High-Tech-Werkstoffe, die in den Batteriezellen eingesetzt werden. Diese sind im Vergleich zu den im restlichen Fahrzeug eingesetzten Werkstoffen, wie hauptsächlich Stahl, Kunststoffe, Leicht- und Buntmetalle, mit deutlich höheren Umweltwirkungen verbunden. Deshalb fallen in der Produktion, je nach Auslegung des Batteriesystems und Fahrzeugs, bis zu 60 Prozent mehr CO2-Emissionen an. Auch verdeutlicht der langfristige Bedarf von kritischen Rohstoffen wie beispielsweise Seltenen Erden die Problematik der Ressourcenversorgung. Ein effizientes Recycling von ausrangierten E-Autos ist deshalb unabdingbar, um das Rohstoffproblem langfristig in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig müssen Batterietechnologien weiterentwickelt werden, um den Materialeinsatz von vorneherein gering zu halten.

Gute Ökobilanz nur mit Ökostrom

Wird das Elektroauto angemessen genutzt, punktet es ökologisch in vielerlei Hinsicht. Neben dem fahrzeuggerechten Nutzungsprofil sind hauptsächlich zwei Faktoren ausschlaggebend: Wie viel der Nutzer fährt und welchen Strom er tankt. Mit dem heutigen Strommix, d. h., der derzeitigen prozentualen Zusammensetzung der Energieträger, aus denen der Strom erzeugt wurde, muss ein Elektroauto etwa 60.000 km fahren, um einen ökologischen Vorteil gegenüber einem Benzinfahrzeug aufzuweisen. Dies entspricht in etwa ihrer heutigen Laufleistung. Mehr als 50 Prozent des deutschen Stroms stammen immer noch aus den fossilen Brennstoffen Braunkohle, Steinkohle und Erdgas. Ganz anders sieht das mit Ökostrom aus. Mit Windenergie kann ein Elektroauto seine Umweltbilanz bereits nach 25.000 Kilometern ausgleichen. „Um der Umwelt wirklich etwas Gutes zu tun, müsste dieser grüne Strom natürlich zusätzlich bereitgestellt werden“, sagt Projektleiterin Roberta Graf. „Gelingt uns die Energiewende, indem der Ausbau der Erneuerbaren Energien vorangetrieben wird, hat auch die Elektromobilität als klimafreundliche Lösung für den Verkehr eine Zukunft. Der Elektromotor stößt im Fahrzeugbetrieb weder CO2 noch Schadstoffe aus, doch der Strom muss aus erneuerbaren Energiequellen kommen, damit auch bei der Stromherstellung möglichst geringe Emissionen anfallen“.

Fehlende Infrastruktur

Aber auch was das Laden der Fahrzeuge selbst angeht, liegt noch vieles im Argen. Finden Nutzer von Elektromobilen eine der in Deutschland noch spärlich aufgestellten Ladesäulen, ist noch lange nicht gesagt, dass sie ihr Fahrzeug auch laden können. Anbieter und Bezahlsystem müssen zusammen passen, um die Kosten abrechnen zu können. Eine Harmonisierung des Stromangebots verbunden mit einem flächendecken Tankstellennetz ist Voraussetzung dafür, der Elektromobilität weiteren Vorschub zu leisten. „Dabei stünden Energieunternehmen verstärkt die Vorteile von Elektrofahrzeugen zur Verfügung“ so Graf. Angeschlossen ans Netz könnten parkende elektrische Autos beispielsweise eine schwankende Netzeinspeisung von Wind- und Sonnenstrom ausgleichen und somit die Netzstabilität erhöhen.

Vorreiter Norwegen

Die Erwartung ist groß, ob die von der Politik angeschobenen Maßnahmen greifen und bis 2020 tatsächlich eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. Dass der Übergang zur Elektromobilität gelingen kann, beweist Norwegen. Jetzt schon liegt dort der Anteil von Elektrofahrzeugen am Neuwagenmarkt bei fast einem Viertel. Das ist weltweiter Rekord. Privilegien wie kostenlose Parkplätze, freier Strom, Befreiung von Maut für Tunnel und Fähren und die Benutzung der Busspur zur Rushhour verführen in diesem Land zum Wechsel. Für die Deutschen fallen die Sonderregelungen nicht ganz so üppig aus.

„Ein zu 100 Prozent „sauberes“ Auto ist nach heutigem Entwicklungsstand noch Utopie“, erklärt Graf. „Jedoch je mehr wir in Forschung und Entwicklung investieren, desto größer sind die Chancen, dass sich die Umweltbilanz unserer Fortbewegungsmittel immer weiter verbessert. Und außerdem können moderne Mobilitätskonzepte, bedarfsgerecht ausgewählte Fahrzeuge und eine umweltschonende Fahrweise schon jetzt dazu beitragen, die derzeitige Luftverschmutzung erheblich zu reduzieren“, bekräftigt Graf und appelliert an die Menschen, diese Verantwortung wahrzunehmen und flexibel mobil zu sein.