Mobilität: Forschung

Anarchie beim Sharing kann Kunden bringen

Startups der Sharing Economy
Taxen in der Stadt. © pixabay.de

Startups punkten mit Gesetzesbrüchen

Manche Startups der Sharing Economy kommen mit dem Gesetz in Konflikt. Und das hebt sogar ihr Image bei den Kunden, wie eine Studie an der Universität Hohenheim zeigt.

Kunden lieben Anarchie bei Unternehmen der Sharing Economy – besonders wenn sie das übertretene Gesetz für illegitim halten. Das ergab eine Studie von Prof. Dr. Marion Büttgen , Geschäftsführende Direktorin am Institut für Marketing & Management, und Matthias Steinert vom Fachgebiet Unternehmensführung der Universität Hohenheim. Die Wissenschaftler legten in einem Online-Experiment Probanden verschiedene Szenarien zu einem fiktiven Carsharing-Unternehmen vor. Die Ergebnisse können für den wirtschaftlichen Erfolg von Startup-Unternehmen von Bedeutung sein.

Privat-Taxis zum günstigen Preis sind eine tolle Sache. Wenn der Anbieter dabei bestehende Gesetze bricht, sollte man ihn erst recht unterstützen – vor allem, wenn es sich um eine unsinnige Rechtsvorschrift handelt. Diese Kunden-Sicht ist der Tenor einer Untersuchung an der Universität Hohenheim.

Marion Büttgen und Mattias Steinert untersuchten, wie potenzielle Kunden ein anarchisches Verhalten von Startup-Unternehmen der Sharing Economy empfinden: „Das und die wahrgenommene Legitimität des gebrochenen Gesetzes wirken sich auf Verhalten und Einstellungen der Kunden aus.“

Fiktives Mitfahr-Unternehmen vor Gericht

Steinert führte dazu im Rahmen seiner Masterarbeit ein Online-Experiment durch: Insgesamt 650 Probanden, davon 334 abgeschlossene Befragungen, legte er ein fiktives Szenario vor:

Das Unternehmen Driver4U vermittelt mittels Handy App Fahrgäste an Privatpersonen, die sich mit ihrem Privat-PKW als Chauffeure anbieten – zu einem Preis weit unter den üblichen Taxi-Tarifen. Die Billig-Konkurrenz ist den etablierten Taxi-Unternehmen ein Dorn im Auge. Sie reichen Klage gegen Driver4U ein. Ein Gericht verbietet Driver4U den Geschäftsbetrieb.

„Dann variieren wir das anarchische Verhalten des Unternehmens und die Legitimität der gebrochenen Rechtsvorschrift für verschiedene Teilnehmer-Gruppen“, erklärt Prof. Büttgen das Experiment.

Variation des anarchischen Verhaltens

Variante 1: Die Probanden in dieser Gruppe erfahren, dass sich Driver4U einen Tag nach dem Urteil reumütig zeigt und ab sofort die ortsüblichen Taxitarife verlangen will. Zusätzlich ermuntert es seine Fahrer, einen Personenbeförderungsschein zu erwerben und will die Kosten dafür tragen.

Variante 2: Hier feiert Driver4U einen Tag nach dem Urteil, in den letzten 24 Stunden ein beispielloses Wachstum bei Neuanmeldungen zu verzeichnen. Ganz so, als wäre die Schlappe vor Gericht ein Marketingcoup. Die Driver4U-Fahrer rollen trotz Verbot weiter.

Variation der Legitimität der gebrochenen Rechtsvorschrift

Variante 1: Den Probanden wird als gesetzliche Grundlage des Urteils eine historische Reichsverordnung von 1941 benannt. Sie begrenze die maximale Wochenarbeitszeit bei der Personenbeförderung, um die Wehrtauglichkeit der Chauffeure nicht zu gefährden.

Variante 2: Grundlage des Urteils ist bei dieser Variante ein Gesetz, das Geringverdienern wie Taxifahrern eine Existenzgrundlage schaffen soll. Dazu zählt die Zusicherung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Anarchie kann Kunden bringen

Im Anschluss an die Beschreibung des jeweiligen Szenarios erhielten sämtliche Studienteilnehmer einen Fragebogen. Das Ergebnis: Im Fall des anarchischen Unternehmensverhaltens sind die Probanden eher bereit, das Angebot zu nutzen als im Fall des rechtskonformen Verhaltens. „Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die übertretene Rechtsvorschrift als illegitim anzusehen ist“, so Prof. Büttgen.

Bei der Kombination von Varianten, bei der das Urteil auf der historischen Reichsverordnung beruht und Driver4U es einfach ignoriert, empfinden die Befragten dann auch das Leistungsangebot des Unternehmens als nützlicher und würden es eher weiterempfehlen. Ein reumütiges Unternehmen, das ein Herz für Geringverdiener hat, sehen die Probanden dagegen als weniger nützlich an und würden es auch kaum weiterempfehlen.

„Beide Faktoren, die wir im Versuch variiert haben – das anarchische Verhalten und die Legitimität der gebrochenen Rechtsvorschrift – können daher für den wirtschaftlichen Erfolg von Startup-Unternehmen von Bedeutung sein. Anarchisch agierende Unternehmen gelten als rebellisch und können von diesem Coolness-Faktor bei ihren potenziellen Kunden profitieren“, betont die Forscherin.

Weitere Informationen:
www.uni-hohenheim.de