Stadtraum

Studie zur Reaktion verschiedener Kulturmetropolen auf die Coronakrise

Fünf Kulturmetropolen
© S. Hermann & F. Richter auf Pixabay

Berlin handelte schnell und effektiv, muss aber stärker auf Bedürfnisse der Selbständigen und Freiberuflichen eingehen

Die COVID-19-Pandemie bedeutet Stillstand und große finanzielle Verluste für den Kultur-und Kreativbereich, wobei Großstädte aufgrund ihrer konzentrierten kulturellen Infrastruktur besonders betroffen sind. Eine neue Studie von Helmut Anheier, Katrin Winkler (beide Hertie School) und Janet Merkel (TU Berlin) untersucht, wie fünf Kulturmetropolen – Berlin, London, Paris, Toronto und New York City – ihre Künstler, Kreativen und Kulturorganisationen in der Krise unterstützt haben.

Das von der Allianz Kulturstiftung geförderte Forschungsprojekt zu fünf Kulturmetropolen konzentriert sich auf die Reaktion und Maßnahmen der einzelnen Städte zwischen März und Spätsommer 2020. Während jede Stadt mit individuellen Herausforderungen zu kämpfen hatte, mussten sie auch die gleichen Probleme bewältigen: die Ungewissheit über den Verlauf der Pandemie, die konstanten Änderungen von Regeln und Einschränkungen und die Koordinierung zwischen mehreren Regierungsebenen.

Berlin zeigte eine schnelle und umfangreiche Bereitstellung finanzieller Soforthilfen als Reaktion auf die Folgen der Pandemie – keine der anderen Städte konnte annähernd hohe Mittel mobilisieren und verteilen. Darüber hinaus wurden Zielgruppen und Zwecke der Hilfen im Laufe der Pandemie auf die Bedürfnisse der Berliner Kulturwelt angepasst. Dieser hohe finanzielle Mitteleinsatz des Berliner Senats wurde durch die Doppelrolle als Stadtstaat mit eigener „Kulturhoheit“ ermöglicht.

Ein weitreichendes Problem in Berlin waren die prekären Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse, die durch die Pandemie insbesondere für selbständige und freiberuflich arbeitende Kunst- und Kulturschaffende verschärft wurden. Der Berliner Senat richtete daraufhin ein Stipendienprogramm ein, um finanzielle Unterstützung zu leisten, doch ein solches Programm kann gezielte Sozialversicherungsmaßnahmen, die es beispielsweise in Frankreich gibt, nicht ersetzen.

„Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass sich die Kunst- und Kulturbereiche in Berlin und andernorts mit grundlegenden Problemen konfrontiert sehen, die angegangen werden müssen, um ihre allgemeine Widerstandsfähigkeit zu verbessern,“ so die Autoren.

„In diesen für demokratische Gesellschaften stürmischen Zeiten sollte die Politik das Überleben der Kulturszene sichern und ihre Vielfalt stärken”, betont Esra Kücük, Geschäftsführerin der Allianz Kulturstiftung. Gerade in den untersuchten Kulturmetropolen stelle die Kultur und Kreativwirtschaft einen extrem relevanten Zweig dar.

Basierend auf ihren Forschungsergebnissen haben die Autoren folgende Handlungsempfehlungen für Berlin entwickelt:

  1. Erstellen einer Informationsbasis: Berlin sollte seine analytischen Kapazitäten zum öffentlich geförderten Kunst- und Kulturbereich und bezüglich kultureller Teilhabe auf eine Kenntnis des breiten Spektrums kultureller Organisationen, Institutionen und Kunst- und Kulturschaffender ausweiten, damit Veränderungen systematisch verfolgt und analysiert werden können.
  2. Berliner Kulturstrategie: Eine langfristig angelegte Berliner Kulturstrategie hilft dabei, akute Probleme, wie die schwierigen Arbeits- und Einkommensverhältnisse der Berliner Kunst- und Kulturschaffender oder die Bedrohung des Immobilienmarkts für die kulturelle Wertschöpfungskette, anzugehen.
  3. Staatliche Maßnahmen nutzen: Mit Instrumenten wie kulturspezifischen Krediten, steuerlichen Anreizen für die Bereitstellung von Räumlichkeiten oder Investitionen im Digitalbereich könnten Probleme aus verschiedenen Perspektiven angegangen werden.
  4. Ungleichheiten beachten: Um die Berliner Kapazität zur Umsetzung staatlicher Maßnahmen zu verbessern, müssen weiterhin kurzfristig neue Förderlinien für kleinformatige und freie künstlerische und kulturelle Produktionen erschaffen werden. Besonders für die darstellenden Künste, deren Aktivitäten fast gänzlich eingestellt werden mussten, ist zusätzliche Unterstützung unentbehrlich.
  5. Gemeinsame Führung: Um Berlins Kapazität zur Koordination weiterzuentwickeln, sollte die Berufung eines permanenten und für die Stadt repräsentativen kulturellen Beratungsgremiums oder Beirats angeregt werden, etwa wie das Cultural Leadership Board in London.
  6. Philanthropie und Zivilgesellschaft einbinden: Berlins öffentliche Kulturförderung sollte eine gezielte und strategische Partnerschaft mit gemeinnützigen Organisationen, Stiftungen und der Zivilgesellschaft allgemein suchen. Diese Akteure bergen einen Reichtum an sozialen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen, welche bislang kaum auf eine systematische Weise erschlossen und eingebunden werden.

Am 26. Februar 2021 diskutiert der Berliner Senator für Kultur und Europa Klaus Lederer im Rahmen des Festivals „Re:Writing the Future“ zusammen mit der Autorin Janet Merkel und Vera Allmanritter die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Berliner Politik.

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