Editorial

Die urbane Verkehrswende

Die urbane Verkehrswende

Liebe Leserin, lieber Leser,

wo bleibt die Verkehrswende? Trotz jahrzehntelanger Aufrufe, Studien und politischer Redebeiträge sind vor allem vier Problembereiche immer noch weitgehend ungelöst.

Klimagase: Rund 20 Prozent des in Deutschland ausgestoßenen Kohlendioxids entstehen bei der Verbrennung fossiler Kraftstoffe im Straßenverkehr. Der Kampf gegen den Klimawandel sollte also auch im Verkehrssektor höchste Priorität haben. Aber die bisher beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um den CO2-Ausstoß auf den Straßen zumindest auf ein annehmbares Maß zu reduzieren. Laut Projektionsbericht der Bundesregierung kann das Sektorziel bis zum Jahr 2030 nicht erreicht werden. Geniale Lösung: Das Sektorziel wird aufgegeben.

Luftverschmutzung: Die schlechte Luft in Städten, ein Cocktail aus Schadstoffen wie Stickoxide, Feinstaub und Ozon, wird hauptsächlich durch den Straßenverkehr verursacht. Die meisten Stadtbewohner sind Schadstoffwerten ausgesetzt, die über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen. Dabei birgt Luftverschmutzung erhebliche Gesundheitsrisiken. Allein in Deutschland waren im Jahr 2020 rund 28.900 Todesfälle auf Feinstaubbelastung zurückzuführen.

Verkehrsstaus: Laut ADAC standen Verkehrsteilnehmer vergangenes Jahr rund 330.000 Stunden im Stau, auf einer Strecke von zusammengerechnet über 733.000 Kilometern. Volkswirtschaftlich betrachtet entstehen durch die Verschwendung von Zeit und Ressourcen im Stau sowie die zusätzlich verursachte Umweltbelastung immense Kosten. Verkehrsexperten berechnen direkte und indirekte Kosten von rund 80 Milliarden Euro pro Jahr.

Flächenverbrauch: Ein großer Teil des öffentlichen urbanen Raums ist Verkehrsfläche – für den rollenden, vor allem aber auch für den ruhenden Verkehr. Paradoxerweise wird das eigene Auto am wenigsten für Mobilität eingesetzt. Gut 90 Prozent des Tages stehen Autos auf Parkplätzen, also auf Flächen, die eigentlich der Allgemeinheit gehören. Städtische Flächen sind jedoch begrenzt, sie werden wegen des andauernden Zuzugs dringend für neuen Wohnraum und für Orte des sozialen Lebens gebraucht, vor allem aber für mehr Wasser- und Grünflächen, sogenannte blau-grüne  Infrastrukturen, um das Stadtklima zu verbessern.

Das alles sollte Grund genug sein, sofort beherzt zu handeln. Doch der große nationale Wurf ist nicht in Sicht. Warum nur? Liegt es am Geld? An der Bürokratie? Am politischen Willen?

Ein Lichtblick: Auf lokaler Ebene sind die Menschen längst weiter. Viele einzelne Projekte in großen und kleinen Kommunen zeigen, dass vor Ort in Sachen Mobilität einiges in Bewegung kommen kann, wenn sich Bürger engagieren. Lesen Sie mehr dazu in Ausgabe 4|2023 – von innovativen Ideen, guten Ansätzen und vielversprechenden Forschungsaktivitäten zur urbanen Verkehrswende.

Ihre
Christine Ziegler
Redaktionsleitung „Transforming Cities“