Kommunikation

Energiewende braucht fachübergreifende Netzwerke

Netzwerkkabel
Die Komplexität des zukünftigen Energiemanagementsystems wird höher sein als die des Internets.

Informations- und Kommunikationstechnologien sind Schlüsselfaktoren für das Energiemanagement der Zukunft

Die Energiewende führt zu einem dezentralen Energiesystem, das auf einer – im Vergleich zu unserem heutigen Energiesystem – deutlich größeren Anzahl von jedoch weniger steuerbaren Erzeugungseinheiten basiert. Zur Erreichung eines nachhaltigen, sicheren und wirtschaftlichen Energiesystems und für den intelligenten Umgang mit der zunehmenden Komplexität ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in großem Ausmaß erforderlich. Darüber waren sich die Teilnehmer des vom Münchner Kreis veranstalteten Berliner Gesprächs „Wichtige Schritte auf dem Weg zur erfolgreichen Energiewende“ am 14. Oktober in den EIT ICT Labs einig.

Nun fordert der Münchner Kreis in einem Papier von der Politik, einen koordinierten Masterplan zur Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen zu erarbeiten, damit eine sichere Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien erreicht werden kann. Dieser Masterplan sollte den steigenden Bedarf der IKT abbilden und alle wichtigen Akteure in einem partizipativen Prozess einbinden.

Dr. Christoph Reichle vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie machte in seiner Auftaktrede deutlich, dass nicht nur Deutschland mitten in der Energiewende steckt, sondern weltweit 164 Länder die Ziele und Politik der erneuerbaren Energien verfolgen. Als Besonderheiten der deutschen Energiewende identifizierte er sowohl die schnellen Zuwachsraten bei den erneuerbaren Energien, die Deutschland in das Energiesystem integrieren muss, als auch den stetig sinkenden Energieverbrauch. Die Herausforderung besteht seiner Meinung nach darin, die verschiedenen Handlungsfelder der Energiewende (u.a. Übertragungsnetze, Verteilnetze, Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Digitalisierung), die bisher nebeneinander verliefen, zu verknüpfen. Den Kern der Energiewende bildete der Netzausbau, der aber gleichzeitig aufgrund mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz auch deren Achillesferse sei. Hier müssten die Verbraucher frühzeitig einbezogen werden.

Höhere Komplexität als die des Internets

Bereits heute speisen über 1,5 Millionen Erzeugungseinheiten in unser Energiesystem ein, Tendenz steigend. Die Versorgungssicherheit in einem solch komplexen System könne nur durch verlässliche IKT stabilisiert und letztlich garantiert werden. „Die Komplexität unseres zukünftigen Energiemanagementsystems wird höher sein als die des Internets“, sagte Prof. Dr. Dieter Rombach, Technische Universität Kaiserslautern und Fraunhofer IESE. „Heute können wir ein solch komplexes Energiemanagementsystem nicht verlässlich bauen. Die Energiewende zwingt uns aber dazu dieses bisher komplexeste Artefakt der Menschheit zu entwickeln.“ Unternehmen böten heute zwar Einzellösungen; für eine zuverlässige Energieversorgung seien aber integrierte Lösungen mit klaren Schnittstellen notwendig, auch auf europäischer Ebene. Für eine intelligente Steuerung der Energieversorgung sei das Thema Big Data unerlässlich. Rombach wies darauf hin, dass ein Kompromiss zwischen Datenschutz und den Chancen für neue Geschäftsmodelle, die auf der Sammlung von Daten basieren, gefunden werden müsse, um die Akzeptanz in der Gesellschaft sicherzustellen. Transparenz spiele dabei eine wichtige Rolle, denn die Gesellschaft stehe der Erfassung von Daten grundsätzlich skeptisch gegenüber. Die IKT müsse künftig auf Augenhöhe mit der Energiebranche stehen. Doch Rombach sieht auch die Energieversorger in der Pflicht: „Sie sollten sich Gedanken über ihre Zukunft machen und neue Geschäftsmodelle im Dienstleistungsbereich hervorbringen, wenn sie dieses Feld nicht den Googles dieser Welt überlassen wollen.“

Dr. Benedikt Römer

Dr. Benedikt Römer machte beim Berliner Gespräch des Münchner Kreis deutlich, dass nur eine IKT-unterstützte Energiewende erfolgreich sein kann. © EIT ICT Labs

Dr. Benedikt Römer, Siemens AG und Münchner Kreis, sieht in der Energiewende eine große Chance für die deutsche Volkswirtschaft, denn neue Geschäftsmodelle und neue Lösungen schafften Wert und Arbeitsplätze. „Durch die Förderungen von Innovationen im Bereich intelligenter Energie kann sich Deutschland als Vorreiter etablieren, die Modernisierung des Energiesystems in Europa vorantreiben und weltweit neue Produkte und Lösungen vermarkten“, so Römer. Wichtig ist für ihn ein zielgerichteter Einsatz von Technologie- und Prozessinnovationen in der Umsetzung. Best Practice Beispiele und gut geplante Transformationsprojekte könnten hierbei wichtige Unterstützung leisten, um aus den vielfältigen Informations- und Kommunikationstechnologien die richtigen auszuwählen und möglichst wertschaffend zu nutzen.

Deutschland droht Anschluss zu verlieren

Ein völliges Umdenken forderte Johannes Kempmann, Präsident des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V (BDEW). „Mit Blick auf die zunehmende Volatilität der Einspeisung und anstehende Dekarbonisierung in den kommenden Jahrzehnten brauchen wir dringend eine ganzheitliche Vernetzung der Energiewende und müssen die Bundesländer dazu bringen, an einem Strang zu ziehen. Momentan haben wir in Deutschland gleichzeitig 16 Energiewenden, Abstimmung sucht man vergebens. Und auch im Bereich Innovationen gibt es viel Luft nach oben: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung, zum Beispiel im Bereich Energiespeicher, sind zu gering. Länder wie Frankreich und Spanien sind uns hier weit voraus, Deutschland droht den Anschluss zu verlieren“, so Kempmann.

Dr. Hermann Falk, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energien e.V (BEE), wies in seinem anschließenden Impulsvortrag darauf hin, dass bei allen Forderungen nach Innovationen nicht das Spannungsverhältnis zwischen neuen innovativen Geschäftsmodellen und dem Bedürfnis der Menschen nach Datensicherheit und Datenschutz außer Acht gelassen werden dürfe. Für Barbie Kornelia Haller von der Bundesnetzagentur ist der Netzausbau der Flaschenhals der Energiewende, der zusätzliche Investitionen erfordert. Einsparpotentiale in diesem Bereich könnten mithilfe der Digitalisierung realisiert werden. Die IKT-Wirtschaft sieht sie insbesondere im Bereich der intelligenten Messtechnik in der Pflicht (Stichwort: Smart Meter) und fordert die Belohnung innovativer Technologieentwicklung.

Bundesminister Sigmar Gabriel und Prof. Dr. Dieter Rombach

Prof. Dr. Dieter Rombach überreicht die Empfehlungen des Münchner Kreis für eine erfolgreiche Energiewende an Bundesminister Sigmar Gabriel. © Fraunhofer IESE

Synergien zwischen Forschungsbereichen bleiben oft ungenutzt

In der abschließenden Paneldiskussion wurde deutlich, dass in der Forschung und Entwicklung die drängendsten Energiefragen in den unterschiedlichen Bereichen (Smart Cities, Smart Grid etc.) separat angegangen werden – somit ein „waste of energy“. Die Diskussionen fänden vertikal, in abgetrennten Forschungsgebieten statt. Wertvolle Synergien blieben bisher ungenutzt. Es sollte über Domänengrenzen hinweg die horizontale Zusammenarbeit verstärkt und gefördert werden. Die Energiewende als Generationenprojekt war ein weiteres Thema. Hier lautete die Devise: Konsequenz. Beispielsweise müsste an der Offshore Windenergie festgehalten werden, auch wenn sie augenblicklich ein Kostentreiber ist. Eine Verlagerung der Kosten auf die nachfolgenden Generationen könne nicht der richtige Weg sein. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass über die Durchführung praktischer Projekte gezeigt werden müsse, wie die Energiewende funktionieren kann, und dass diese Projekte ebenfalls einen enormen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz leisteten.

Weitere Informationen:
www.muenchner-kreis.de

PDF: Empfehlungen für eine erfolgreiche Energiewende