Stadtraum: Forschung

Neues Messnetz untersucht Feinstaub im Leipziger Westen

Neues Messnetz untersucht Feinstaub im Leipziger Westen
Das FDS15 ist ein Messgerät, das in einem kleinen Kästchen von der Länge eines Tetra-Packs steckt und u.a. an Lichtmasten angebracht werden kann. © Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG

Viele Schadstoffquellen und komplexe Bebauungsstrukturen machen eine detaillierte Erfassung von Luftschadstoffen in großen Städten schwierig

Können kompakte und preiswerte Messgeräte dazu beitragen, die Luftqualität in der Stadt besser zu bestimmen? Um das herauszufinden, wollen Forschende vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) kommerzielle Feinstaub-Sensoren an Lichtmasten installieren und ein Jahr lang testen. Dabei werden 20 Geräte in Leipzig-Lindenau auf einer Fläche von zwei mal zwei Quadratkilometern rund um die Messstation Lützner Straße verteilt.

Diese Station ist Teil des behördlichen Messnetzes zur Überwachung der Luftqualität in Sachsen vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Das Gebiet wurde bereits 2016/17 vom LfULG und in dessen Auftrag von TROPOS detailliert untersucht. Die Feinstaub-Messgeräte für den Feldversuch sind eine Entwicklung der Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG in Markranstädt bei Leipzig. Das innovative Forschungsprojekt wird wichtige Aussagen zur Machbarkeit von engmaschigen Messnetzwerken mit preisgünstigen Luftgütemessgeräten sowie zur räumlichen Verteilung von Luftschadstoffen liefern und wird daher vom Freistaat Sachsen gefördert.

Steigendes Gesundheitsbewusstsein, fortschreitender Klimawandel sowie zunehmende Urbanisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass auch das Interesse an aktuellen Umweltdaten weiter wächst. Besonders in großen Städten ist dabei die Luftqualität von Interesse. Eine detaillierte Erfassung von Luftschadstoffen wie Feinstaub oder Stickoxiden ist aber in der Stadt durch die Vielzahl der Schadstoffquellen und komplexe Bebauungsstrukturen nach wie vor eine große Herausforderung. Wie aktuell sind die momentanen Konzepte zur Überwachung der Luftqualität, die auf festen Messpunkten und der Modellierung für die Gebiete darum beruhen, wenn der Feinstaub aus Kfz-Motoren im letzten Jahrzehnt zwar zurückgegangen ist, aber andere Quellen wie privaten Holzheizungen oder auch Baustellen an Einfluss gewinnen? Technologische Fortschritte, die Messtechnik kleiner und preiswerter gemacht haben, bieten die Chance, Antworten auf diese Frage zu finden.

Messgeräte für Feinstaub

FDS 15 vor der Werkskalibrierung. © Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG

In den letzten Jahren haben interessierte Bürgerinnen und Bürger alternative Messnetze aufgebaut. Eingesetzt werden dabei überwiegend einfache Sensoren, die Feinstaub per Lichtstrahl messen, aber wissenschaftlichen und behördlichen Qualitätsansprüchen nicht genügen. Diese sind für den ganzjährigen Einsatz im Außenbereich in der Umwelt nicht geeignet. „Bei sehr preisgünstigen Sensoren ist die Streuung leider oft so groß, dass sie für ein Sensornetzwerk nicht geeignet erscheinen. Dazu kommt ein prinzipielles Problem dieser Sensoren: Bei höherer Luftfeuchtigkeit (Regen und Nebel) wachsen auch die Feinstaubpartikel, weil sich Wasser ansetzt. Viele dieser Sensoren funktionieren daher nur bei trockenem Wetter gut“, berichtet Dr. Jens Voigtländer vom TROPOS, der sich in den letzten Jahren auf mobile Feinstaubmessungen spezialisiert hat. Ob sich auch kompakte und preiswerte Messgeräte eignen könnten, wird das Projekt jetzt anhand einer Entwicklung aus Markranstädt untersuchen: „Das Feuchtigkeitsproblem lösen wir, indem wir die Luft trocknen bevor sie zum optischen Messsensor im Gerät gelangt. Dadurch herrschen im Gerät konstante Bedingungen und die Messergebnisse sind vergleichbar mit denen von zertifizierten Messgeräten – unabhängig von der Witterung. Dies haben Vergleichsmessungen des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit zertifizierten Messeinrichtungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) gezeigt“, erklärt Dr. Holger Födisch. Seine Firma Dr. Födisch Umweltmesstechnik hat sich auf Staubmessungen für industrielle Anwendungen spezialisiert. 2019 wurde er dafür als „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet. Neben industriellen Anwendungen arbeitet die Firma zunehmend an Lösungen für die digitale, vernetzte Stadt. Eine Entwicklung ist dabei ein Messgerät, das in einem kleinen Kästchen von der Länge eines Tetra-Packs steckt und an Lichtmasten angebracht werden kann. Das FDS15 misst den Feinstaub der Größenklasse PM2.5 – also Partikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind.

Mit Hilfe der Abteilung Stadtbeleuchtung des Verkehrs- und Tiefbauamts Leipzig wollen die Forschenden vom TROPOS in den nächsten Monaten 20 dieser Messgeräte an Lichtmasten in Leipzig-Lindenau anbringen und testen. „Die Wahl fiel auf diesen Stadtteil im Leipziger Westen, weil dort auf kleiner Fläche große Unterschiede in der Luftqualität zwischen Durchgangsstraßen und Stadtparks vereint sind“, erzählt Dr. Roland Schrödner vom TROPOS. Die allwettertauglichen Geräte der Dr. Födisch Umweltmesstechnik liegen im mittleren Preissegment – also zwischen den Niedrig-Preis-Sensoren, die von Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden, und den High-Tech-Stationen, die die Behörden im amtlichen Messnetz einsetzen. „Da TROPOS auch das Weltkalibrierungszentrum für Feinstaubmessungen betreibt und kontinuierlich den Feinstaub am Institut in Leipzig misst, werden wir die Geräte gut vergleichen können. Von dem Langzeittest erhoffen wir uns Erkenntnisse darüber, ob künftig Feinstaub-Messnetze mit Sensoren im mittleren Preissegment die Qualitätsansprüche von Forschung und Behörden erfüllen könnten.“ Die Daten sollen einen Beitrag zum besseren Verständnis von Feinstaubquellen (z.B. der Identifizierung von „Hot Spots“), den beobachteten Konzentrationen und deren Wechselwirkungen mit weiteren Einflussparametern (wie Wetterlage, Heizperiode etc.) liefern und auch helfen, Ausbreitungsmodelle zu optimieren. (Tilo Arnhold)

Weitere Inormationen:
TROPOS-Forschung für saubere Luft |
Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG |
Wissenstransfer-Projekt „Luft in Leipzig“ |

Publikationen:
Fachbeitrag des LfULG „Vertiefte Analysen zur PM10-Problematik am Standort Leipzig-Lützner Straße“ |
TROPOS-Forschungsbericht „Einfluss von Ruß auf Luftqualität und Klima“


Informationspflicht gemäß Fördermittelbescheid: „Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.“


Lese-Tipp:
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