Stadtraum: Projekte

Stadtwohnungen für Bienen

Stadtwohnungen für Bienen
© pixabay

Landschaftsarchitektin empfiehlt lange Blütezeiten, Vielfalt in der Gartenstruktur und bei heimische Pflanzen

Klimawandel, intensive Landwirtschaft, Einsatz von Umweltgiften: Um die Folgen des Bienensterbens abzumildern, achten immer mehr Hobbygärtner auf die Bienenfreundlichkeit. Während das Thema bei der Landschaftsgestaltung von Neubauvorhaben bisher kaum beachtet wird, setzt der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) bei einem Bauvorhaben in München erstmals gezielt auf blühenden Lebensraum für Biene Maja und Co. „Das Angebot für Wild- und Honigbienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber nimmt im städtischen Raum zwar zu, ist aber gerade in vielen Neubaugebieten nicht ausreichend. Uns ist es beim aktuellen Neubauvorhaben „Lipperheidestraße“ mit 192 Wohnungen im Münchner Westen ein Anliegen, dass Bewohner und Bienen gleichermaßen profitieren und das Bewusstsein weiter geschärft wird”, erklärt Alfred Herrmann, Leiter des Bereichs Immobilien beim WAF. Die Landschaftsarchitektin Swantje Nowak von Nowak Partner, die für die Landschaftsgestaltung des Projektes verantwortlich zeichnen, gibt nachfolgend Tipps für eine bienenfreundliche Landschaftsgestaltung. Davon können andere private Bauherren und Gärtner lernen.

Blüte über einen langen Zeitraum

„Das allerwichtigste ist, dass über einen möglichst langen Zeitraum immer etwas blüht. Das Schöne ist, was den Bienen gefällt, erfreut auch die Menschen“, sagt Nowak. Beim Neubauprojekt des WAF wird für die künftigen Bewohner ein Kalender sichtbar installiert, sodass nachvollziehbar wird, welche Pflanzen wann im Jahresverlauf den Bienen Nahrung spenden. Was viele nicht wissen: Das ist selbst im Herbst und Winter möglich und wichtig. Nowak: „Während der kalten Monate ist das Angebot naturgemäß nicht so groß wie im Sommer, da sich die Bienen in ihre Wintertraube zurückziehen. Aber wir haben selbst bereits ab Januar drei blühende Gewächse geplant, weil sie an warmen Wintertagen oberhalb von zwölf Grad durchaus die Bienentraube verlassen – wozu auch der Klimawandel beiträgt.“ Dem Bepflanzungsplan zufolge blühen an der Lipperheidestraße im Januar Christrosen, Winterlinge und Krokusse. Im Februar kommen Haselnuss, Frühlingsknotenblumen, Schneeglöckchen und Schneeheiden hinzu. „Die Winterblüte ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie verhindern kann, dass die Bienen infolge des frühen Ausflugs schon vor der Brut erschöpft sind oder gar sterben“, erklärt Nowak.

Heimische Pflanzenarten mit ausreichend Pollen und Nektar

„Heimische Bienen brauchen heimische Pflanzen wie Duftveilchen, Windröschen, Besenginster oder Dost, aber auch Kräuter wie Salbei, Thymian oder Majoran. Wichtig sind zudem heimische Bäume, Sträucher und Stauden, die Nektar und Pollen bieten“, erklärt Nowak. Im Münchner Westen wachsen deshalb unter anderem Haselnuss- und Walnussbäume, aber ebenso Schlehen, Schwarzer Holunder und Stauden-Lupinen. Gefüllte Blumensorten wie Geranien, gezüchtete Dahlien oder Garten-Chrysanthemen sind zwar dekorativ, bieten aber keine oder nur wenig Pollen. Nowak: „Es geht aber nicht nur um die Bienen. Sowohl Insekten als auch Vögel sind auf Blütenvielfalt angewiesen. Vögel fressen ebenfalls an den Samen und nicht zuletzt die Insekten, die aufgrund der Pflanzenvielfalt vorhanden sind. Wenn die Insekten fehlen, haben die Vögel zu wenig Nahrung. Bienen sind deswegen Botschafter nachhaltigen Handelns“, erklärt Nowak. Dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds bedeutet die Nachhaltigkeit im doppelten Sinne viel. „Wo Bienen sind, gibt es ein gesundes Ökosystem. Mit dem Projekt wollen wir vor allem Familien ansprechen. Durch die Landschaftsgestaltung werden Kinder frühzeitig für natürliche Kreisläufe sensibilisiert“, sagt Herrmann.

Durch dichte Bepflanzung und vielfältige Strukturen Lebensräume schaffen

Pflanzen sind für Bienen nicht nur Nahrungsmittel, sondern vor allem Lebensraum, der ihnen Baumaterial für die Brutzellen liefert, wo die Eiablage stattfindet. Deshalb sollten Landschafts- und Hobbygärtner beim Thema Bienenfreundlichkeit auf Nisthilfen achten. Diese können sie durch Totholz, Fugen in Steinmauern oder aufgehäufte, nicht bepflanzte Sandhügel in Beten schaffen. „Wir erleben über das vergangene Jahrzehnt einen Wandel in der Gartenkultur hin zu immer blankeren Oberflächen und leicht zu pflegenden Elementen. Gerade ist beispielsweise der Schottervorgarten ohne jegliche Pflanze en vogue. Wir müssen weg von Rollrasen und Schnitthecke hin zu einem Garten, der uns selbst wieder Freude macht und wo wir uns selbst gern aufhalten“, sagt Nowak. Ein bienenfreundlicher Garten hat vielfältige Strukturen wie Höhen und Tiefen, Totholz, Wasserquellen oder Trockenmauern. „Für das Wohnquartier an der Lipperheidestraße haben wir deshalb auf eine dichte, bodenbedeckende Bepflanzung geachtet. Nur über Vielfalt können wir den knapp 600 Wildbienenarten, von denen die Mehrzahl im Boden oder in Pflanzenhalmen nistet, gerecht werden“, erklärt Nowak.


Hintergrund
Der Zustand der Bienen in Deutschland birgt Grund zur Sorge. Seit 1990 ist die Anzahl der Bienenvölker in Deutschland um 40 Prozent zurückgegangen. Als Gründe werden monotone Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden auf Feldern, das Verschwinden natürlicher Lebensräumen und die Varroa-Milbe genannt. 300 der 585 lokalen Bienenarten sind vom Aussterben bedroht. Dabei beginnt die Produktion bei jedem dritten Nahrungsmittel mit der Blütenbestäubung durch Bienen oder andere Insekten. Allein in Deutschland betrifft dies jährlich Lebensmittel im Wert von rund 1,7 Milliarden Euro. Obwohl die Zahl der Bienen gerade insgesamt sinkt, erlebt die Bevölkerung der Honigbiene einen Aufschwung – was auch an einem Zulauf von Imkern liegt. Seit 2005 ist die Zahl der Imker in Deutschland von knapp über 80.000 auf 114.500 gestiegen. Besonders in Städten erfreut sich die Hobby-Imkerei wachsenden Interesses. Allein in München sind mittlerweile 1.200 Imker gemeldet. Insgesamt werden landesweit rund 792.202 Bienenvölker von Imkern betreut. In Zukunft wird das Ziel sein, mehr Imker auf dem Land zu mobilisieren und Wildbienen effektiver zu schützen.

Was den Bienen gefällt, erfreut auch die Menschen

Wohnquartier Lipperheidestraße. Kupferschmidt Architekten. © Visualisierung Maximilian Illing

Über das Wohnquartier an der Lipperheidestraße
Im Münchner Stadtteil Pasing-Obermenzing entsteht östlich der Lipperheidestraße auf einer rund sechs Hektar großen Fläche ein lebendiges Wohnquartier mit rund 340 Wohnungen sowie einer Kindertageseinrichtung mit Kinderkrippen- und Kindergartenplätzen. Eigentümer und Bauherren sind neben dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds die StadiBau GmbH, die Grandl GbR und die Landeshauptstadt München (Referat für Bildung und Sport). Es handelt sich ausschließlich um Mietwohnungen, darunter auch öffentlich geförderte Wohnungen, mit Schwerpunkt auf familiengerechten und barrierefreien Wohnraum.

Über den Wittelsbacher Ausgleichsfonds
Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Der Stiftungszweck des WAF ist, das ihm anvertraute kulturelle Erbe des Hauses Wittelsbach zu bewahren und das Stiftungsvermögen zu verwalten. Zu den Stiftungsbereichen gehören Immobilien, Land- und Forstwirtschaft, Finanzanlagen sowie Kunst, Schlösser und Museen.