Ressourcen

Urbane Lebensmittelerzeugung für klimaneutrale Städte

Lokale und regionale Lebensmittelerzeugung 
© Lubos Houska auf Pixabay

Fraunhofer IAO zeigt gemeinsam mit Kunst und Kultur Transformationspotenziale für stadtintegrierte Lebensmittelerzeugung auf

Fast ein Drittel unseres ökologischen Fußabdrucks basiert auf der Ernährung aufgrund von langen Transportketten, hohem Ressourceneinsatz und Verpackungsaufwand – ein wichtiges Handlungsfeld für kommunale Strategien in Richtung Klimaneutralität. In Kooperation mit dem Programm „Werksviertel Mitte Kunst“ visualisiert das Fraunhofer IAO hierzu innovative Konzepte für stadtintegrierte Lebensmittelerzeugung im Werksviertel-Mitte München.

Lokale und regionale Lebensmittelerzeugung

Der Verlust der biologischen Vielfalt, Bodendegradation und der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, aber auch Qualitätsverluste, umweltbelastende Lagerungsmethoden, hohe Transportkosten und die Verwendung fossiler Brennstoffe zählen zu den Kompromissen, die wir derzeit in Kauf nehmen, um den vorherrschenden Konsumbedarf durch überwiegend lineare, globale Ernährungssysteme zu decken. Klimabedingte Extremwettereignisse, die Auswirkungen der Pandemie sowie politische und militärische Konflikte beeinflussen vermehrt die globale Lebensmittelproduktion und -distribution, was sich aktuell insbesondere in steigenden Lebensmittelpreisen widerspiegelt. Folglich gewinnen lokale und regionale Lebensmittel an Relevanz bei der Unterstützung der Versorgungssicherheit. „Langfristig ist es notwendig, ein stadtintegriertes und nachhaltiges Lebensmittelsystem zu schaffen, welches resilient und anpassungsfähig auf heutige und zukünftige Bedarfe reagieren kann. Im Ausland gibt es hierzu bereits erfolgreiche Beispiele“, betont Steffen Braun, Leiter des Forschungsbereichs Stadtsystem-Gestaltung am Fraunhofer IAO. Deshalb startet das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO nun das Projekt „Immersive Urban Food Landscapes“ zur Ermittlung möglicher Transformationspotenziale im urbanen Raum durch neue Möglichkeiten der lokalen Lebensmittelerzeugung und -bereitstellung. Basierend auf einer wissenschaftlichen Status-quo-Analyse werden zukunftsorientierte Szenarien für das Münchner Werksviertel-Mitte entwickelt, die zur Wissenschaftskommunikation und gesellschaftlichen Sensibilisierung für die Thematik herangezogen werden können. Die Entwicklung dieser Versorgungs- und Ernährungsszenarien erfolgt unter Berücksichtigung der politischen Nachhaltigkeitsziele sowie derzeitiger Trends und technischer Entwicklungen.

Visuelle, immersive Kunst-Applikationen für Sensibilisierung und Akzeptanzbildung

Das Münchner Kreativquartier Werksviertel-Mitte dient bei diesem Projekt nicht nur als Betrachtungs- sondern auch Umsetzungsort. Durch die Zusammenarbeit mit der Urkern GmbH als Kommunikationspartner aus der Werksviertel-Mitte-Unternehmensgruppe und in Kooperation mit dem Programm „Werksviertel-Mitte Kunst“ werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse durch visuelle, immersive Kunst-Applikationen (u. a. durch Augmented Reality, kurz AR) vor Ort für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Da das Projekt ein gesellschaftlich und politisch relevantes Thema aufgreift, sollen die künstlerischen Aufbereitungen die räumliche Wirksamkeit und Transformation visualisieren, aber auch eine (gesellschafts-)kritische Perspektive ermöglichen, um auf anschauliche Art und Weise zur Sensibilisierung und Akzeptanzbildung für neue Formen der Lebensmittelerzeugung und der innovativen Stadtentwicklung beizutragen. „Kunst ermöglicht einen emotionalen Zugang zu Themen und kann damit auch stark theoretische oder komplexe wissenschaftliche, gesellschaftspolitische Fragestellungen vermitteln – gerade, weil sie sich nicht nur auf die reine Weitergabe von Informationen beschränkt. Kunst stellt Fragen, regt zu Reflexion und Kontemplation an und lädt zur Interaktion ein“, erklärt Projektleiter Patrick Ruess vom Fraunhofer IAO den Vorteil der Zusammenarbeit. Im Sommer 2023 soll das Eintauchen in die „immersive Art“ möglich sein.

Transformationspotenziale und Fraunhofer-Know-how bündeln

Im ersten Schritt findet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werksviertel-Mitte München statt. Basierend auf der Analyse der aktuellen und zukünftigen Bau- sowie Planungsvorhaben, können sowohl gastronomische als auch private Lebensmittelbedarfe auf Quartiersebene ermittelt werden. Parallel werden Methoden aus der Raum- und Standortanalyse genutzt (z. B. Geo-Analysen), um geeignete Flächen mit Transformationspotenzial zu identifizieren und zu quantifizieren (z. B. Dach-, Park oder Freiflächen). Mit einem Technologiescreening will das Forschungsteam geeignete Lösungen mit unterschiedlichen Reifegraden identifizieren, die in der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt werden, um eine lokale Lebensmittelproduktion zu ermöglichen oder zu unterstützen. Das Vorhaben entfaltet damit auch eine Innenwirkung in der Fraunhofer-Gesellschaft, da es Verbindungen zwischen verschiedenen Forschungsbereichen und Fraunhofer-Instituten entlang eines Querschnittsthemas knüpft und Synergien sichtbar macht. Untersucht werden Produkt- und Prozessinnovationen, neue Anbaumethoden, alternative Formen der Ernährung oder synthetische Lebensmittel.

Da das Projekt das Zusammenspiel von künstlerischen bzw. gestalterischen Methoden und angewandter Wissenschaft anschaulich demonstriert, wird es durch das Rahmenprogramm des Fraunhofer-Netzwerks „Wissenschaft, Kunst und Design“ gefördert. In dessen Rahmen wurde auch bereits das künstlerische Forschungsprojekt „BRAINPALACE“ unterstützt.