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Fraunhofer-Allianz Bau: Bauen der Zukunft

Fraunhofer-Allianz Bau
Die Fraunhofer-Allianz Bau auf der Messe BAU 2023. © Fraunhofer-Allianz Bau

Sonderschau der Fraunhofer-Allianz Bau auf der Messe BAU 2023 in München

Wie sieht es aus, das Bauen der Zukunft? Wie lassen sich die Herausforderungen, die mit der Klimaneutralität, Ressourcenverfügbarkeit und Bezahlbarkeit einhergehen, lösen? Auf der Messe BAU 2023 vom 17. bis 22. April in München präsentiert die Fraunhofer-Allianz Bau (Halle C2, Stand 528) vielversprechende Ansätze und innovative Lösungen aus ihren verschiedenen Mitgliedsinstituten.

2045 soll Deutschland klimaneutral sein – so das erklärte Ziel der Bundesregierung. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Emissionen bereits bis 2030 drastisch sinken: von 750 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahre 2020 auf 420 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Dazu muss sich auch im Bausektor vieles tun, schließlich schlagen die Herstellung von Gebäuden und ihr Betrieb mit etwa 390 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zu Buche. Sie sind damit für rund 40 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Insbesondere die Betriebsphase der Gebäude – allem voran das Heizen und die Stromversorgung – haben durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe einen großen CO2-Fußabdruck.

Doch wie lässt sich der Weg hin zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft im Bau- und Wohnsektor gestalten, wie die erforderliche Transformation stemmen und sozialverträglich realisieren? Lösungen zeigt die Fraunhofer-Allianz Bau auf der Messe BAU 2023 vom 17. bis 22. April in Halle C2. Zahlreiche Exponate werden in und um den zweigeschossigen „Innovation Cube“ präsentiert: Er dient als symbolisches Gebäude zur Demonstration innovativer Lösungen für die Gebäudehülle, aber auch für den Innenraum – etwa für Technologien zur Feuchtemessung, zur Trocknung oder zur Akustik. Generell sind die Exponate in vier Themeninseln unterteilt: Energie und Wärme, Ressource und Recycling, Zukunft des Wohnens und Arbeitens sowie Digitalisierung.

Energie und Wärme

Ein Schwerpunkt auf dem Weg zur Klimaneutralität liegt in der Wärmeerzeugung. Wärmepumpen bieten dazu eine zukunftsträchtige Technologie. Doch handeln sie sich durch klimaschädliche Kältemittel Minuspunkte ein. Wie lassen sich klimafreundlichere Kältemittel realisieren? Wie zusätzliche Wärmequellen für die Wärmepumpe erschließen, etwa in der Fassade? Großes Zukunftspotenzial hat auch die Geothermie. „Wir gehen davon aus, langfristig 25 Prozent des Wärmebedarfs über Geothermie decken zu können“, sagt Thomas Kirmayr, Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Bau. „Über die Geothermie können wir einen großen Teil der benötigten Wärme national und somit unabhängig von anderen Ländern produzieren.“ Doch müssen dazu mehr Flächen geothermisch erschlossen werden. Noch mangelt es an einer adäquaten Kartierung, die angibt, welche Flächen lohnenswert für eine geothermische Bohrung sind. Diese Lücke zu schließen und lohnenswerte Gebiete zu ermitteln, hat sich die Fraunhofer-Allianz Bau zum Ziel gesetzt.

Natürlich kann die Wärmewende nicht alleine gedacht werden, sondern muss eng mit der Energieerzeugung gekoppelt werden. Etwa mit der Photovoltaik. Eines der Exponate aus diesem Bereich sind die MorphoColor®-PV-Module: Photovoltaik-Module, die sich als bunte Design-Elemente in Fassaden oder Dächer integrieren lassen. Ihr Wirkungsgrad liegt bei über 90 Prozent, verglichen mit dem der herkömmlichen schwarzen Module. Die Forschenden optimierten zuletzt die Winkelstabilität, um ein homogenes Erscheinungsbild auch für schräge Betrachtungswinkel zu erreichen. Ergänzt werden solche Exponate durch solche aus dem Bereich des Energiemanagements: Wie lässt sich etwa die Gebäudemasse nutzen, um Energie oder Wärme zu speichern? „Das Feld Energie und Wärme ist bei Weitem noch nicht ausentwickelt, darin steckt noch viel spannendes Potenzial“, ist sich Kirmayr sicher.

Ressource und Recycling

Eine weitere zentrale Aufgabe für den Bau liegt in der Kreislaufwirtschaft. Zum einen hinsichtlich Resilienz – Ressourcen sollen gesichert, Rohstoff-Abhängigkeiten von anderen Staaten reduziert werden – zum anderen hinsichtlich der Klimaneutralität. „Wir verfolgen dabei zwei Stoßrichtungen: Prozessorientierte Innovationen zur Rohstoffgewinnung und Produktinnovationen mit Recyklaten oder minimierter Umweltwirkung“, so Kirmayr. Um Kreislaufwirtschaft zu realisieren, müssen zunächst einmal die nötigen Prozesse entwickelt werden, etwa Sortierprozesse, die aus Bauschutt sortenreine Materialien und somit Rohstoffe von Wert werden lassen. „Downcycling, bei dem aus Bauabbruch lediglich Füllstoffe für Autobahnen werden, kann kein ernsthafter Ansatz sein“, ist Kirmayr überzeugt. „Wir sehen den Forschungsbedarf daher sehr stark im Prozessualen.“ Dazu gehören etwa neue Technologien zur Trennung von Bauschutt, denn diesem haften Anstriche, Dichtstoffe und andere Materialien an, die einem sortenreinen Rohstoff im Wege stehen. Welche Anlagentechnik kann eine solche Trennung leisten und wie lassen sich diese Technologien für die großen anfallenden Mengen skalieren? Ein möglicher Ansatz aus der Fraunhofer-Allianz Bau ist die Elektrodynamische Fragmentierung (EDF): Mit ihr lässt sich aus Altbeton hochwertige, ja sogar höherwertige Neuware erzeugen. „Hier haben wir ein Lösungsbeispiel, mit dem wir zeigen: Es geht!“, freut sich Kirmayr. Schließlich haben sich die Forschenden dem Weg verschrieben, Rückbaustoffe mindestens in der gleichen Qualität zu neuen Baustoffen werden zu lassen.

Es gilt also, aus diesen Recyklaten qualitativ hochwertige Neuprodukte zu erzeugen. Doch welche Materialressourcen können durch Recyklate ersetzt werden? Sinnvoll ist es vor allem, Materialien mit hoher Umweltwirkung zu ersetzen, etwa Zement, oder allgemein Materialien, in deren Herstellung sehr viel Energie steckt. Idealerweise lassen sich diese mit Recyklaten aus Sekundärprozessen mit weniger Energiebedarf ersetzen?

Ein weiteres spannendes Thema ist Carbon Capture. Man kennt es vom Holz: Dieser Baustoff bindet CO2. „Wir haben inzwischen auch Lösungsprozesse, bei denen wir der Atmosphäre CO2 entziehen und dieses in einem Baustoff parken. Bringt man diese Baustoffe zudem in den Kreislaufprozess, wird das CO2CO2 am Lebensende des Gebäudes nicht wieder in die Atmosphäre entlassen, sondern bleibt gebunden“, erklärt Kirmayr. „Es wird spannend, wie die Industrie diese Ansätze aufnimmt – denn damit wird Abfall zur interessanten und ökologischen Rohstoffquelle.“

Zukunft des Wohnens und Arbeitens

Regionen, in denen beispielsweise Kohle abgebaut wurde, stehen vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen unter geänderten Bedingungen wieder eine attraktive Umgebung schaffen. Fragen der Quartiersentwicklung und des neuen Arbeitens im Kontext der Pandemie stehen da ganz vorn. Im Zuge des Neuen Europäischen Bauhauses – einer kulturpolitischen Initiative mit den drei zentralen Werten Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion – soll dies nicht klassisch geschehen, indem die Stadt oder Investoren frei gewordene Flächen bebauen. Stattdessen gilt es, die Zukunft des Wohnens in einem partizipativen Prozess zu gestalten. Einem Prozess also, bei dem die Bürger und Bürgerinnen in die Planung mit einbezogen werden und sich aktiv mit der Zukunft ihrer Stadt auseinandersetzen. „Die Fraunhofer-Allianz Bau bringt ihre Expertise in genau diesem Punkt ein: Wir stellen Lösungen bereit, die für mehr Partizipation sorgen, und geben einen Überblick über neue Innovationen, damit man gemeinschaftlich ein Zukunftsbild entwickeln kann“, konkretisiert Kirmayr. Dabei greifen die Forschenden auch soziokulturelle Fragen auf: Wie lassen sich die Nutzenden in operative Prozesse integrieren? „Technik muss immer in Kombination mit den Anwendern und Anwenderinnen gedacht werden“, sagt Kirmayr.

Digitalisierung

Die vierte Themeninsel des Messestandes widmet sich der Digitalisierung. Wie lassen sich digitale Lösungen nutzen, um Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität zu erreichen? Auch bei partizipativen Prozessen kann die Digitalisierung helfen: In Richtung Bürgerbeteiligung kann man beispielsweise dreidimensionale Modelle erstellen, bevor etwas gebaut wird – und somit eine bessere Grundlage schaffen, um mit den Beteiligten in den Diskurs gehen zu können. Ein Beispiel ist der „Elbedome“ in Magdeburg: Dort stehen die Betrachtenden in einer 360-Grad-Cave, also quasi mitten im Modell. „Auf diese Weise kann man Leute ganz anders mit in Planungs- und Entscheidungsprozesse hineinnehmen, die zuvor kaum zu transportieren waren“, sagt Kirmayr. Derzeit arbeiten die Forschenden daran, weitere Features einzubinden – etwa Akustik, Lichtsituation oder Temperaturempfinden – und die Planung somit in noch stärkerem Ausmaß erlebbar werden zu lassen. „Anhand von Planungsdaten, etwa Dezibel-Angaben, ist nur schwer vorstellbar, wie sich neue Technologien auswirken. Kann man jedoch selbst erleben, wie sich beispielsweise Schallschutzfenster auf den wahrgenommenen Straßenlärm auswirken, wird das schnell verständlich“, sagt Kirmayr. Interessant ist unter anderem der Anwendungsfall Büro: Wird es im Sommer an der Fassade zu heiß? Reicht die Klimatisierung? Wie wird eine Verschattung empfunden, die es zwar kühler werden lässt, jedoch auch den Blick nach draußen verhindert? „Durch den digitalen Zwilling wollen wir Entscheidungsprozesse vereinfachen, die der Bauherr oder die Bauherrin aus Plänen und technischen Daten nur schwer nachvollziehen kann“, fasst Kirmayr zusammen. „Wichtig ist ein solch digitaler Zwilling nicht nur bei Neubauten, sondern auch im Bestand, um die Sanierung transparent zu erfassen“, sagt Kirmayr.

Positionspapier

Eine Beschreibung dessen, wie sich die Forschenden der Fraunhofer-Allianz Bau das Bauen der Zukunft vorstellen, findet sich im Positionspapier „Bauen der Zukunft“. Die aktuellen und zukünftigen Wandlungen in der Baubranche fließen dort mit ein. „Mit dem Positionspapier wollen wir weniger für die Probleme sensibilisieren“, sagt Kirmayr, „als einen Vorschlag zur erforderlichen Transformation über die kommenden zehn Jahre, verknüpft mit einem Aktionsplan, anbieten.“

Weitere Informationen zur Fraunhofer-Allianz Bau:
www.bau.fraunhofer.de