Editorial

Lebensraum Stadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wer darf den städtischen Raum eigentlich beanspruchen? Es gibt einerseits kein Grundrecht auf ein Leben in der Stadt, aber andererseits auch keine Mauern mehr, wie um
mittelalterliche Städte, die Nichtbürger rigoros ausschließen. Prinzipiell kann sich also jeder in einer Stadt aufhalten, der möchte – sofern genügend Platz vorhanden ist.

Doch Platz ist knapp. In Städten rund um den Globus. Urbaner Raum als Ressource wird umso knapper, je mehr Interessensgruppen darum konkurrieren. Dabei sind die
Menschen, die einfach in der Stadt leben und arbeiten wollen, nicht unbedingt in der starken Position. Das zeigt sich spätestens bei der Wohnungssuche. Für den längeren
Hebel stehen die Besitzverhältnisse an städtischen Flächen und damit verbunden deren Funktion als Gemeingut oder als Wirtschaftsgut. Frage ist also vornehmlich, wem
die Stadt als solche eigentlich gehört. Den Bürgern, den Banken oder wem?

In Groß- und in Mittelstädten spielen institutionelle Anleger und ausländische Investoren eine immer größere Rolle am Immobilienmarkt. Ihr wenig überraschendes Ziel ist
es, stattliche Renditen zu erzielen. In München und Stuttgart sind die Mietpreise innerhalb von zehn Jahren um rund 50 Prozent gestiegen, in Berlin sogar um über 100 Prozent. Urbanes Wohnen wird immer mehr zum Luxus. Das soziale Gefüge ändert sich zusehends, mit schädlichen Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft. Soll das einfach
so geschehen?

Die Kritik an der Schieflage wird lauter. Viele Menschen wollen die radikalen Eingriffe in ihre Stadtviertel nicht länger hinnehmen, wollen nicht aus ihrem Kiez an die Stadtränder verdrängt werden. Zahlreiche Initiativen aus Bewohnern, Planern und Stadtverwaltungen versuchen, den Lebensraum Stadt Stück für Stück zurückzuerobern. Sei es, mit der Aufwertung des öffentlichen Raums und öffentlicher Grünflächen sowie mit nachhaltigen kommunalen Wohnprojekten. Oder indem der Straßenraum neu definiert wird und nicht mehr vorrangig fahrenden und parkenden Autos vorbehalten ist, sondern auch Fußgängern und Radfahrern zur Verfügung steht oder Anwohnern als Freiraum und Kontaktbereich.

In der Ausgabe 4|2021 finden sich reichlich gute Beispiele, wie Städte wieder mehr zum Lebensraum für ihre Bewohner werden können – lesen Sie selbst

Ihre
Christine Ziegler
Redaktionsleitung „Transforming Cities“