Liebe Leserin, lieber Leser,
lange Zeit sah es so aus, als sei Urbanisierung ein unumkehrbarer Trend: Alles Wesentliche – Ausbildung und Jobs, Wirtschaft und Konsum, Kultur und Freizeitvergnügen – konzentrierte sich in Städten, das Land wurde abgehängt. Doch viele Gewissheiten, die bisher wie in Stein gemeißelt schienen, werden angesichts der Corona-Pandemie brüchig. Urbanes Leben mit großen mobilen Menschenmengen ist plötzlich nicht mehr Ausdruck von Freiheit und Kreativität, von Inspiration und Lebensfreude, sondern ein
Nährboden für Viren und damit für Krankheit und Tod. Damit ändert sich vieles.
Durch den Lockdown stehen Branchen unter Druck, die bisher immer als krisensicher galten. Prämissen wie „Gegessen und getrunken wird immer“ klingen angesichts halb leerer oder wieder geschlossener Restaurants und Kneipen hohl. Liebgewonnene Rituale, etwa im Fußballstadion lauthals seine Mannschaft anzufeuern oder im Kreise der Kirchengemeinde geistliche Lieder anzustimmen, ist jetzt nicht mehr allein Ausdruck von Begeisterung oder Inbrunst, sondern kann – verrückte Welt – lebensgefährlich sein. Die guten Nachrichten: Die Deutschen machen wieder mehr Urlaub im eigenen Land und die Internetbranche boomt! Ist das die Lösung?
Das Virus verändert schließlich auch die Arbeitswelt – und zwar schneller als es mancher für möglich hielt. So werden Home Office und Online-Konferenzen nicht nur von Mitarbeitern als große Erleichterung empfunden, auch die Verantwortlichen in den Unternehmen sehen inzwischen große Vorteile darin – seien es eingesparte Reisekosten oder geringere Büromieten. Aber auch hier Ambivalenz: Weniger Pendlerfahrten vom Umland ins Büro in der Innenstadt entlasten einerseits die Einfallstraßen, doch sie sorgen andererseits für leere Busse und Bahnen, was wiederum schmerzlich für Verkehrsunternehmen ist. Muss es also zwangsläufig Gewinner und Verlierer in der Krise geben?
Ganz klar: Die Veränderungen, die sich durch Corona ergeben, sind weitreichend und sicher nicht gerecht verteilt, wie etwa die lange Zeit geschlossenen Schulen und Kitas zeigen. Doch die Frage ist, wie wir mit Krisen und großen Einschnitten umgehen. Setzen
wir gegen Pandemie und Klimawandel, die Auswirkungen von Globalisierung und Urbanisierung einfach den Alu-Hut auf? Oder arbeiten wir daran, tragfähige Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden – und zwar in der Stadt ebenso wie auf dem Land?
In Ausgabe 3|2020 gibt es viele treffliche Beispiele, wie Städte und Regionen im Sinne von Mensch und Umwelt mit guten Ideen und engagierten Projekten zukunftsfähig gemacht werden können. Lesen Sie selbst.
Ihre
Christine Ziegler
Redaktionsleitung „Transforming Cities“